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Akutes Lungenversagen bei Covid: Jeder zweite stirbt auf der Intensivstation

Mittwoch, 1. Dezember 2021 – Autor:
Eine aktuelle Studie zeigt: Lungenschädigungen sind bei COVID-19 besonders schwer. Jeder zweite Patient mit akutem Lungenversagen stirbt daran. Wer es schafft, muss lange künstlich beatmet werden.
Bei schwerem COVID19 vernarbt die Lunge. Betroffene müssen lange künstlich beatmet werden

Bei schwerem COVID19 vernarbt die Lunge. Betroffen müssen lange künstlich beatmet werden – Foto: © Adobe Stock/ Valerii

Aktuell werden mehr als 4.000 COVID- Patienten intensivmedizinisch behandelt. Laut dem Robert Koch-Institut bedeutet das für 85 Prozent der Betroffenen eine künstliche Beatmung. Eine neue Studie, an der die Charité und das RKI beteiligt waren, zeigt nun: Die Lungenschädigungen sind bei COVID-19 besonders schwer, die Lunge vernarbt in außergewöhnlich starkem Ausmaß.

Sterblichkeit liegt bei 50 Prozent

„Patientinnen und Patienten mit schwerem COVID-19 haben oft ein sehr stark ausgeprägtes Lungenversagen“, sagt Prof. Leif Erik von der Charité, einer der beiden Leiter der Studie. Die weitgehende Zerstörung ihrer Lungenstruktur erfordere eine invasive Beatmung oder sogar eine ECMO-Behandlung über längere Zeit, betonte der Infektiologe „und geht leider mit einer sehr hohen Sterblichkeit von etwa 50 Prozent einher.“

Im Vergleich zu anderen Ursachen für akutes Lungenversagen müssen die Patienten demnach wesentlich länger künstlich beatmetet werden. Grund dafür ist laut den Forschenden eine Vernarbung des Gewebes. Die sogenannte Fibrose macht das Gewebe dick und unelastisch.

Fibrose macht lange künstliche Beatmung notwendig

Mikroskopische Aufnahmen von Lungengewebe verstorbener COVID-19-Patienten zeigten bei fast allen Betroffenen enorme Schäden. Die Lungenbläschen waren weitgehend zerstört, die Wände deutlich verdickt. Und es fanden sich ausgeprägte Ablagerungen von Kollagen, das ein Hauptbestandteil von Narbengewebe ist. „All dies ist charakteristisch für eine schwere Fibrose“, beschreibt Prof. Peter Boor die Befunde. Er hat die Studie am Institut für Pathologie der Uniklinik RWTH Aachen geleitet. „Diese Beobachtungen weisen darauf hin, dass wir es beim COVID-19-Lungenversagen mit einem sogenannten fibroproliferativen ARDS zu tun haben, also einer besonders schweren Form des Lungenversagens. Das könnte erklären, warum wir die Betroffenen so lange beatmen müssen.“

Fresszellen zerstören das Lungengewebe

Bei COVID-19 entwickelt sich ein Lungenversagen typischerweise erst in der zweiten oder dritten Woche nach Symptombeginn, wenn die Viruslast eigentlich schon wieder sinkt. „Das weist darauf hin, dass nicht die unkontrollierte Virusvermehrung zum Versagen der Lunge führt, sondern nachgeschaltete Reaktionen, beispielsweise des Immunsystems, eine Rolle spielen.“ Makrophagen, auch als Fresszellen des Immunsystems bekannt sind, könnten dafür mitverantwortlich sein, vermuten die Forscher.

Einzelzellanalysen aus Lungenwebe zeigten, dass sich in der Lunge von COVID-19-Betroffenen, die ein Lungenversagen entwickeln, vor allem Makrophagen in großen Mengen ansammeln. Diese Fresszellen beseitigen zum Beispiel eingedrungene Erreger oder Zellabfall, sind aber auch an der Wundheilung und Reparatur von Gewebe beteiligt. „Überraschenderweise zeigten die Makrophagen bei schwerem COVID-19 ähnliche Eigenschaften wie bei einer chronischen Form der Lungenvernarbung, der idiopathischen Fibrose“, betont Dr. Antoine-Emmanuel Saliba vom Helmholtz-Instituts für RNA-basierte Infektionsforschung. Bei dieser unheilbaren Erkrankung vernarbt die Lunge unaufhaltsam bis zum Verlust der Organfunktion.

Vernarbungen können sich teilweise zurückbilden

„Unsere Daten zeigen also eindeutig Parallelen zwischen COVID-19 und der chronischen Lungenfibrose auf“, resümiert Dr. Saliba. Dennoch gibt offenbar einen entscheidenden Unterschied:  CT-Aufnahmen von genesenen ECMO-Patienten zeigten, dass sich die Vernarbungen wieder zurückbilden können- auch wenn in manchen Fällen deutliche Vernarbungsreste zurückblieben.

Die Studie erfolgte im Rahmen der „Deutschen COVID-19 OMICS Initiative“. Gefördert wurde die Arbeit hauptsächlich durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) sowie im Rahmen des Berliner Proteomik-Forschungskerns MSTARS und verschiedener Verbundprojekte des Netzwerks Universitätsmedizin (NUM) durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und unterstützt durch das Deutsche Register für COVID-19 Obduktionen.

Hauptkategorien: Corona , Medizin
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