Agrarprodukte: Je exotischer, desto pestizidbelasteter

Lebensmittel in Deutschland können mit Pflanzenschutzmitteln belastet sein, obwohl ihr Einsatz in der EU verboten ist. Wie kann das sein? Deutschland gilt als eines der größten Pestizid-Exportländer der Welt. Manche Pestizide kehren so in Form von Importfrüchten zu uns zurück. – Foto: AdobeStock/Dusan Kostic
Wer Lebensmittel aus Deutschland zu sich nimmt, kann sich einigermaßen sicher sein, dass daran nicht mehr Pestizid-Rückstände enthalten sind, als die Grenzwerte es erlauben. Das zeigt ein aktueller Untersuchungsbericht des „Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ (BVL) in Braunschweig. Die Kehrseite der Medaille: Bei Lebensmitteln aus anderen Staaten, insbesondere aus Nicht-EU-Staaten, gab es dagegen einen Anstieg der Überschreitungen. In einer Stichprobe von Verbrauchermagazinen der ARD entdeckten die Prüfer, dass bestimmte Tropenfrüchte aus konventionellem Anbau Rückstände von drei oder mehr Pestiziden enthielten: vor allem Limetten, Bananen und Passionsfrüchte, Bananen.
„Pestizidbelastung variiert in Abhängigkeit von der Herkunft"
Basis des jetzt vorgelegten Berichts sind rund 8,3 Millionen Analysen an 20.603 Lebensmittelproben, vorgenommen im Jahr 2021 durch die Untersuchungseinrichtungen der amtlichen Lebensmittelüberwachung der Bundesländer. „Dabei wurde bestätigt, dass die Belastung mit Pflanzenschutzmittelrückständen in Abhängigkeit von der Herkunft variiert“, heißt es in einer Mitteilung des BVL.
Essen aus Deutschland: Pestizidbelastung sinkt offenbar
Die Zahlen im Einzelnen nach geographischen Herkunftsregionen: Deutschland, EU, Nicht-EU-Ausland. Für Lebensmittel aus Deutschland war die Anzahl an Überschreitungen nach einem leichten Anstieg im Vorjahr wieder rückläufig. 2021 lag sie bei 1,1 Prozent – 2020 waren es noch 2,0 Prozent gewesen.
Importe aus Nicht-EU-Staaten: Jeder zehnte Probe zu hoch
Bei Erzeugnissen aus anderen EU-Mitgliedstaaten bewegt sich die Überschreitungsquote dem Bericht zufolge weiterhin auf niedrigem Niveau, wenngleich sie von 1,3 Prozent im Jahr 2020 auf 1,8 Prozent im Jahr darauf stieg.
Einen deutlichen Anstieg der Grenzwert-Überschreitungen auf hohem Niveau gab es dem BVL zufolge bei Lebensmitteln aus Nicht-EU-Staaten. Von 2020 auf 2021 stieg die Quote von 7,8 auf 10,9 Prozent – und damit um weit mehr als ein Drittel.
Pestizidbelastung in Lebensmitteln: Wo sie sank – und wo sie stieg
Während bei Getreide, Lebensmitteln tierischen Ursprungs sowie Säuglings- und Kleinkindernahrung die Überschreitungsquote sank, wurde bei verarbeiteten Lebensmitteln eine Zunahme an Überschreitungen der Rückstandshöchstgehalte nachgewiesen. Bei Obst und Gemüse blieb die Anzahl an Überschreitungen dem Bericht zufolge auf Vorjahresniveau. Vor allem bei Lebensmitteln, deren Verzehr besonders hoch ist – wie Äpfel, Karotten, Kartoffeln oder Tomaten – traten wie in den Vorjahren nur wenige Überschreitungen auf.
Pestizid-Rückstände in Lebensmitteln: Die Top Vier
In der Klasse der häufig untersuchten Lebensmittel (mit mindestens 100 untersuchten Proben) wiesen folgende Lebensmittel die höchsten Überschreitungsquoten auf:
- Weinblätter, in Lake eingelegt (71,8 Prozent)
- Granatäpfel (33,0 Prozent)
- Sesamsamen (8,7 Prozent)
- frische Kräuter (8,2 Prozent).
(Quelle: Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit/BVL)
Nach Auskunft des BVL werden einige dieser auffälligen Erzeugnisse (beispielsweise Weinblätter, Granatäpfel und Sesamsamen) mittlerweile schon bei der Einfuhr an den EU-Außengrenzen verstärkt kontrolliert.
Lebensmitteluntersuchungen: 1.061 Giftstoffe im Fokus
Dem Bundesamt zufolge wurden bei den überwiegend risikoorientierten Kontrollen die Lebensmittel auf 1.061 verschiedene Stoffe hin untersucht. Zwar wurden bei 216 Wirkstoffen (entspricht 20,4 Prozent) Überschreitungen der Rückstandshöchstgehalte festgestellt, wie es heißt jedoch generell auf niedrigem Niveau.
Beiden folgenden Pflanzenschutzmitteln kam es relativ häufig zu Überschreitungen:
- Dithiocarbamate (gehören zu den am häufigsten verwendeten Fungiziden)
- Metalaxyl (Fungizid)
- Ethylenoxid (Desinfektionsmittel für Nahrungsmittel)
- Chlorat (Unkrautvernichtungsmittel)
- Chlorpyrifos (Insektizid).
Überforderte Behörden: Jede dritte geplante Kontrolle fällt aus
Bemerkenswert ist, dass die drei letztgenannten Pflanzenschutzmittel in der EU überhaupt nicht mehr eingesetzt werden dürfen. Solange hierzulande zwar der Einsatz bestimmter Pflanzenschutzmittel verboten ist, ihre Herstellung und ihr Export aber nicht, können sie – versteckt in Lebensmitteln – zu uns zurückkehren und sogar bei uns auf dem Tisch landen.
Einen weiteren Grund für zu hohe Pestizidwerte in Importware sehen Verbraucherschutz-Organisationen in einer Überforderung der Kontrollbehörden. Nach Einschätzung von „Foodwatch“ wird beispielsweise bei der kommunalen Lebensmittelüberwachung gespart. Nur zehn Prozent der Behörden seien ausreichend besetzt, jede dritte vorgesehene Kontrolle falle aus. Behörden mit nicht mehr zeitgemäßer beziehungsweise zu un-digitaler Ausstattung seien der Durchleuchtung komplexer weltweiter Lieferketten kaum mehr gewachsen.
Lebensmittel: „Unbedenklich“ heißt nicht „frei von Pestiziden“
Wenn Lebensmittel nicht zu beanstanden sind, heißt das deshalb nicht, dass sie frei von Pestiziden wären. „Rückstände von Pflanzenschutzmitteln in Lebensmitteln sind zulässig, sofern sie die geltenden Rückstandshöchstgehalte nicht überschreiten und demnach gesundheitlich unbedenklich sind“, heißt es in einer Mitteilung des BVL. Selbst eine Überschreitung des festgesetzten Rückstandshöchstgehalts sei „nicht gleichbedeutend mit einer Gesundheitsgefahr für Verbraucherinnen und Verbraucher“. Die Festsetzung eines Höchstgehaltes erfolge ausgehend von der Menge an Rückständen, die bei ordnungsgemäßer Anwendung des Pflanzenschutzmittels zu erwarten sei. Eine Gesundheitsgefahr dürfe dabei nicht gegeben sein.