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Ärztliche Zweitmeinung ergibt: Viele Rücken-OPs sind offenbar unnötig

Sonntag, 5. Juni 2022 – Autor:
Rücken-OP – ja oder nein? Das ist oft keine leichte Entscheidung. Eine Studie der AOK-Nordost zeigt: Holt der Patient bei einem anderen Arzt eine „Zweitmeinung“ ein, stellt sich in vielen Fällen heraus, dass eine Operation gar nicht nötig ist.
Arzt untersucht eine Frau am Rücken.

Bei Rückenschmerzen - ist da eine Operation nötig und sinnvoll? Die AOK rät Patienten, sich vor dieser Entscheidung eine ärztliche Zweitmeinung einzuholen. – Foto: Fotolia.com/Robert Kneschke

Vor fünf Jahren machte eine Studie der Bertelsmann-Stiftung Schlagzeilen. Hier hatten Wissenschaftler herausgefunden, dass in manchen Regionen Deutschlands bei Rückenschmerzen bis zu 13-mal häufiger operiert wird als anderswo. Der Wohnort entscheide stark darüber, ob Patienten operiert werden – oder ob sie „konservativ“ behandelt werden, also mithilfe von medikamentöser Therapie und/oder physikalischen Maßnahmen ohne einen chirurgischen Eingriff am Körper. Aber der Wohnort ist erwiesenermaßen kein überzeugendes und schon gar kein medizinisches Argument. Was in der Bertelsmann-Studie von 2017 dazu noch ans Tageslicht kam: „Obwohl viele Krankenhausaufenthalte bei Rückenbeschwerden vermeidbar wären, boomt die stationäre Versorgung.“ Die Ergebnisse einer jetzt bei „Springer Medizin“ publizierten Studie der AOK-Nordost zielen in eine vergleichbare Richtung.

Nach Zweitmeinung: OP-Zahlen gingen um fast die Hälfte zurück

Nach Auskunft der AOK-Nordost belegt die Studie „erstmals valide, dass Zweitmeinungsverfahren dazu führen, potenziell unnötige Rückenoperationen zu vermeiden“. Die Studie zeige, dass die Zahl der tatsächlich durchgeführten Operationen bei den Teilnehmenden am AOK-Zweitmeinungsprogramm „Rücken-Spezial“ um 42 Prozent zurückging. Noch stärker ging die Zahl der chirurgischen Eingriffe zurück, wenn Studienteilnehmer auf ärztliche Empfehlung hin eine intensive und abgestimmte Behandlung durch verschiedene Fachärzte und Therapeuten erhielten. Diese sogenannte interdisziplinär-multimodale Schmerztherapie ist Teil des Zweitmeinungsprogramms.

Zweitmeinungsprogramm: Drei Medizinberufe an einem Tisch

Im spezialisierten Zweitmeinungsprogramm „Rücken-Spezial“ nehmen sich Fachärzte, Physiotherapeuten und Schmerz-Psychotherapeuten eines zertifizierten Rückenzentrums die Zeit für eine eingehende mehrstündige Untersuchung. Auf deren Grundlage geben die Experten dann in enger Abstimmung untereinander eine individuelle Therapie-Empfehlung ab.

OP-Risiken: Blutungen, Nervenverletzungen, schmerzende Narben

 „Die Ergebnisse machen Patientinnen und Patienten mit chronischen Rückenschmerzen Hoffnung. Denn so eine Rückenoperation ist ein komplizierter Eingriff und keine Lappalie“, sagt Grit Ayyad, Beratungsärztin bei der AOK Nordost. „Von Blutungen über Nervenverletzungen bis hin zu Infektionen und Narbenbildungen, die dann wieder weitere Schmerzen hervorrufen – die Risiken sind nicht unerheblich. Eine Operation sollte daher immer nur dann erfolgen, wenn alle anderen Behandlungsmethoden ausgeschöpft wurden und nichts gebracht haben.“

In jedem achten Fall muss noch mal operiert werden

Das Zweitmeinungsverfahren erspart offenbar auch Folge-Operationen: Zahlen der AOK Nordost zeigen, dass von den insgesamt 4.063 Versicherten, die sich 2019 einer Rückenoperation unterzogen, beinahe jeder achte in der Folgezeit mindestens ein zweites Mal aufgrund der gleichen Beschwerden operiert wurde.

Hauptkategorie: Medizin
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