Nach Angaben ihres Spitzenverbandes haben die gesetzlichen Krankenkassen im ersten Halbjahr 2015 ein Minus von fast einer halben Milliarde Euro eingefahren. Die Kassen erklären das Defizit mit steigenden Ausgaben, etwa für Arzneimittel und zu vielen Arztpraxen in Ballungsräumen. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung will dieses Argument jedoch nicht gelten lassen. Sie wirft den Kassen vor, ihre Beiträge aus Wettbewerbsgründen zu niedrig kalkuliert zu haben. „Wer in Zeiten des demographischen Wandels die Beitragssätze senkt, muss sich nicht wundern, wenn erstmals seit Jahren wieder ein Defizit in den Büchern steht“, sagte KBV-Chef Dr. Andreas Gassen am Donnerstag in Berlin. Immerhin gebe es derzeit so viele Sozialversicherungspflichtige wie lange nicht.
Durch Beitragssenkung 900 Millionen Euro verloren
Laut Gassen lag der durchschnittliche Beitragssatz im vergangenen Jahr bei 15,5 Prozent, in diesem Jahr bei 15,43 Prozent. „Diese Differenz mag klein erscheinen, bedeutet aber für das Gesamtjahr einen Einnahmeverlust von etwa 900 Millionen Euro“, erklärte der Mediziner. Damit sei klar, woher das Defizit komme. Ohne die Beitragssatzsenkung hätten die Kassen sogar einen Überschuss erzielt.
Derzeit verhandeln KBV und Kassen über die finanzielle Ausstattung der ambulanten Versorgung. Dass das aktuelle Defizit negative Auswirkungen darauf haben könne, glaubt die stellvertretende KBV-Vorstandsvorsitzende Regina Feldmann nicht. Die Gesetzeslage sei eindeutig: Die finanzielle Ausstattung dürfe sich nicht nach der aktuellen Finanzlage der GKV richten, sondern nach dem Bedarf der Versicherten. „Unsere Forderung nach einer leistungsstarken ambulanten Versorgung wird mit Sicherheit nicht für steigende Zusatzbeiträge verantwortlich sein“, versicherte Feldmann.
Beitragserhöhungen der Gesetzlichen Krankenkassen unausweichlich
Die offiziellen Zahlen aus dem Bundesgesundheitsministerium stehen zwar noch aus. Beitragserhöhungen scheinen jedoch unausweichlich. Das hat auch schon der GKV-Spitzenverband bestätigt: „Wenn man die absehbaren Ausgabenentwicklungen und das strukturelle Defizit der Kassen hochrechnet, werden die Zusatzbeiträge in den kommenden Jahren weiter deutlich steigen“, erklärte dazu die Vorstandsvorsitzende des GKV- Spitzenverbandes Dr. Doris Pfeiffer. Bis 2019 rechne man mit einer durchschnittlichen Erhöhung der Zusatzbeiträge auf insgesamt 1,4 bis 1,9 Prozent. Derzeit liegt der Zusatzbeitrag bei den großen Ersatzkassen wie DAK, AOK, Barmer, TK zwischen 08, und 0,9 Prozent. Der Zusatzbeitrag ergänzt den allgemeinen Beitragssatz von 14,6 Prozent, der seit 1. Januar 2015 für alle Kassen gesetzlich vorgeschrieben ist.
Foto: Marco2811 – Fotolia