Ärzte gründen Task Force Transplantationsmedizin
Bei der Organtransplantation stehen Ärzte vor schwierigen Entscheidungen. Dringlichkeit und Aussicht auf Erfolg einer Transplantation bestimmen den Vorgang wesentlich. Doch nicht immer sind die Kriterien, nach denen Organe vergeben werden, ganz eindeutig und nachvollziehbar. Nicht zuletzt aufgrund der jüngsten Organspendeskandale haben die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) und die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie (DGCH) jetzt eine „Task Force Transplantationsmedizin“ gegründet. „Ziel ist es, dass Transplantationen zu jeder Zeit transparent und noch erfolgreicher verlaufen und geltenden Standards entsprechen“, teilten die Fachgesellschaften am Montag in einer gemeinsamen Presseerklärung mit. Zudem sollten Patienten bestmöglich davon profitieren und Ärzte anhand messbarer Kriterien, die dem aktuellen Stand der Wissenschaft angepasst sind, nachvollziehbare Entscheidungen treffen können.
Transplantationsmedizin: Task Force will objektive, messbare und bundesweit geltende Parameter weiterentwickeln
Das Gremium, zu dem je fünf Internisten und Chirurgen, ein Medizinethiker und ein Kinder- und Jugendmediziner gehören werden, soll ab sofort Richtlinien und Standards für die Vergabe und den Umgang mit Spenderorganen erarbeiten. Diese sollen bundesweit einheitlich und verbindlich sein. „In ethisch und medizinisch derart komplexen Fragen benötigen die behandelnden Ärzten klare, nachvollziehbare Vorgaben und Entscheidungskompetenzen“, sagte DGCH-Generalsekretär Professor Dr. Dr. med. Hans-Joachim Meyer aus Berlin. Diese müssten noch vor einer übergeordneten Überwachung durch Bundesärztekammer und Politik gelten.
Zu dem neuen Regelwerk gehört auch, dass künftig interdisziplinär entschieden werden soll. Denn Internisten sind gleichermaßen wie Chirurgen in den Transplantationsprozess eigebunden. Der Internist behandelt den Patienten vor und nach der Operation. Der Chirurg führt die Transplantation durch und ist damit entscheidend in die Therapie involviert. „Klarer Konsens und wichtige Maßgabe ist, dass wir über Transplantationen künftig immer interdisziplinär entscheiden“, betont DGIM-Vorsitzende Professor Dr. med. Elisabeth Märker-Hermann aus Wiesbaden.
Entscheidungen über Organtransplantation sollen künftig interdisziplinär erfolgen
Vor einer Lebertransplantation wird zum Beispiel der Schweregrad einer Lebererkrankung mittels sogenanntem „labMELD-Score“ ermittelt, der sich aus mehreren Laborwerten zusammensetzt. Je höher der MELD-Score, desto höher das Risiko, innerhalb der nächsten drei Monate zu versterben. Eindeutige Regeln fordert die DGIM auch für Patienten mit Leberzellkrebs oder bei alkoholinduzierter Lebererkrankung sowie bei der Labordiagnostik. „Ein Problem ist, dass messbare Kriterien wie diese wegen Ausnahmeregelungen immer wieder außer Kraft gesetzt werden“, bedauert Professor Ulrich R. Fölsch, Generalsekretär der DGIM aus Kiel.
Um diese Missstände zu beheben, kündigten die Ärzte an, auch die organisatorische Seite zu vereinheitlichen. Dies betrifft etwa die sichere und vollständige Übertragung sämtlicher Daten und die lückenlose schriftliche Dokumentation sämtlicher Schritte des Transplantationsvorgangs. „Von der Anzeige für eine Transplantation bis zur Zuteilung des Organs müssten Internisten und Chirurgen interdisziplinär zukünftig noch enger zusammenarbeiten“, betont Professor Dr. med. Karl-Walter Jauch, Präsident der DGCH aus München. Um ärztliche Qualität zu sichern, will das Gremium seine Vorschläge auch in die Novelle der ärztlichen Weiterbildungsordnung einbringen.
Im Jahr 2012 transplantierten Ärzte in Deutschland 3706 Organe: Herz, Nieren, Leber, Lunge, Bauchspeicheldrüse und Dünndarm.
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