Ärzte fordern mehr Mitsprache bei der Nutzenbewertung
Wieder mal wird scharfe Kritik an der frühen Nutzenbewertung von Medikamenten laut. Diesmal kommt sie von der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO). Die Fachgesellschaft fordert in einem aktuellen Positionspapier unter anderem mehr Mitsprachechte für Ärzte und Patienten. Die wichtigsten Akteure der Patientenversorgung – nämlich die Patienten und ihre behandelnden Ärzte – seien nur Zuschauer mit eingeschränkten Rechten, kritisierte der Geschäftsführende Vorsitzende der DGHO, Professor Mathias Freund. „Die DGHO unterstützt das Ziel einer am Nutzen ausgerichteten Kostenkontrolle gerade auch in der Hämatologie und Onkologie. Erforderlich ist dafür aber eine differenzierte Vorgehensweise, die die Expertise und Erfahrungen der Fachgesellschaften und auch die Patientenperspektive frühzeitig mit einbezieht“, sagte der DGHO-Sprecher.
Die Lebensqualität kommt bei der Nutzenbewertung oft zu kurz, kritisieren Onkologen
In den zweieinhalb Jahren seit Inkrafttreten des AMNOG habe sich gezeigt, dass die Nutzenbewertung auch das ärztliche Handeln und die Planung und Umsetzung klinischer Studien beeinflusse. Und das wiederum habe direkte Auswirkungen auf die Versorgung von Krebspatienten in Deutschland. Nach Ansicht der Onkologen seine insbesondere die Festlegung der Endpunkte einer Nutzenbewertung und die Auswahl der zweckmäßigen Vergleichstherapie „problematisch“. Häufig würden Vergleichstherapien gewählt, die deutlich von den gültigen nationalen und internationalen Therapieleitlinien abwichen. Auch die Lebensqualität des Patienten werde mit Blick auf die Endpunkte zu wenig berücksichtigt, das betreffe insbesondere die palliative Therapie. In ihrem aktuellen Positionspapier fordert die DGHO, ein unabhängiges Gremium medizinischer Fachexperten und betroffener Patienten einzurichten, das von Beginn an die Endpunkte einer Nutzenbewertung mitbestimmt.
G-BA bezweifelt Unabhängigkeit der Fachgesellschaften
Der unparteiische Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) Josef Hecken hat indes die Forderungen der DGHO als unbegründet zurückgewiesen. Die Fachgesellschaften seien ja bereits sehr intensiv in das Verfahren in Form von schriftlichen und mündlichen Stellungnahmen eingebunden. „Sie entscheiden allerdings – aus gutem Grund – nicht über das abschließende Wertungsergebnis. Dies wäre bei einer unabhängigen und evidenzbasierten Bewertung auch nicht sachgerecht“, meinte Hecken. Man könne nicht ausschließen, dass die Fachgesellschaften die nötige Unabhängigkeit besitzen.
Auch die Forderung nach mehr Patientenmitsprache wies der G-BA zurück. „Die Patientenvertretung ist in allen Phasen der frühen Nutzenbewertung konsequent beteiligt. Sie nutzt diese Beteiligung intensiv, um Patienteninteressen in die Beratungen und Ergebnisse einzubringen“, sagte die Sprecherin der Patientenvertretung im Unterausschuss Arzneimittel des G-BA Dr. Ulrike Faber. „Wir werden im G-BA als Patientenvertretung vollständig akzeptiert und eingebunden.“
Die frühe Nutzenbewertung von Medikamenten soll ein angemessenes Verhältnis zwischen dem Preis eines Arzneimittels und dem Zusatznutzen für den Patienten sicherstellen. Das Instrument zur Kostenkontrolle wurde im Januar 2011 im Rahmen des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes (AMNOG) eingeführt und wird seither vom G-BA in Zusammenarbeit mit dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) durchgeführt.
Das Positionspapier der DGHO enthält vier Verbesserungsvorschläge:
- Ein unabhängiges Gremium von medizinischen Fachexperten sollte eingerichtet werden, um eine sinnvolle Vergleichstherapie für Nutzenbewertungen festzulegen.
- Die Endpunkte einer Nutzenbewertung sollten zu Beginn von einem unabhängigen Gremium medizinischer Fachexperten – unter Einbeziehung betroffener Patienten – priorisiert werden.
- Die Vergabe von Aufträgen des G-BA zur Bewertung der Hersteller-Dossiers sollte geöffnet werden, sodass auch qualifizierte, unabhängige, z.B. universitäre Institutionen mit fundierten Erfahrungen im Bereich Health Technology Assessment Bewertungen vornehmen können.
- Der Transparenzgrundsatz bei der Nutzenbewertung sollte auch für die abschließenden Verhandlungen zum Preisrabatt gelten.
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