Ärzte begrüßen das Urteil aus Karlsruhe
Am Dienstag hat das Bundesverfassungsgericht die Vergabe der Medizinstudienplätze zum Teil für verfassungswidrig erklärt. Das hohe Gewicht der Abi-Note, der Numerus Clausus, und die langen die Wartezeiten widersprechen laut den Richtern in Karlsruhe dem Grundgesetz. Begründet wird dies mit dem Grundrecht auf „gleiche Teilhabe am staatlichen Studienangebot“, das sich aus der Ausbildungs- und Berufswahlfreiheit in Artikel 12 und dem allgemeinen Gleichheitssatz in Artikel 3 des Grundgesetzes ergibt. Die Richter verlangen nun zahlreiche Änderungen bei der Vergabe von Studienplätzen, die die Gesetzgeber in Bund und Ländern bis zum 31. Dezember 2019 in neue Gesetze und Vorschriften gießen müssen.
Abinote wird bei Studienplatzvergabe weiterhin zählen
Hochschulen werden künftig verpflichtet, neben der Abiturnote (20%) obligatorisch ein weiteres, nicht notenbasiertes Zulassungskriterium anzuwenden, das bundeseinheitlich, strukturiert und standardisiert sein muss. Bisher legen die Unis häufig die Kriterien selbst fest.
In der Ärzteschaft wurde das Urteil aus Karlsruhe mit Erleichterung aufgenommen. „Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist genau das richtige Signal zur richtigen Zeit“, sagte Bundesärztekammer-Präsident Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery nach der Urteilsverkündung am Dienstag. Dass Karlsruhe Änderungen bei der Studienplatzvergabe anmahne, sei nicht nur eine gute Nachricht für viele hochmotivierte junge Menschen, denen der Zugang zum Arztberuf bislang de facto versperrt sei. „Das Urteil ist auch eine deutliche Aufforderung an Bund und Länder, bei der schleppenden Umsetzung der Reform des Medizinstudiums endlich Tempo zu machen."
Ohrfeige für die Bildungspolitik
Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wurde auch höchstrichterlich festgestellt, dass die Abiturnoten der Bundesländer nicht vergleichbar sind. Nach Auffassung von Montgomery kommt dies einer „heftigen Ohrfeige für eine kleinstaatliche Bildungspolitik“ gleich, die es nicht schaffe, das Abitur bundesweit chancengleich und chancengerecht zu gewährleisten. „Auch die Bildungspolitik muss hier nachbessern", so der Bundesärztekammer-Präsident.
Die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) begrüßte ebenfalls das Urteil der Karlrsruher Richter. Bisher sei das Medizinstudium in Deutschland nur den Besten der Besten unter den Abiturienten vergönnt gewesen. Die Auswahl über den Numerus Clausus schränke nicht nur die durch das Grundgesetz gewährte Berufsfreiheit ein, sie erschwerte es bisher auch, ausreichend Fachkräfte für den Arztberuf zu finden, teilte DGIM-Generalsekretär Professor Ullrich R. Fölsch am Dienstag mit. „Der Medizinerberuf ist geprägt von Menschlichkeit und persönlicher Motivation, beides kann eine Abiturnote nur eingeschränkt abbilden“, sagte Fölsch. "Wenn wir die Auswahl der Studierenden verfeinern und neben schulischen Leistungen auch weitere Fähigkeiten wie Empathie und kommunikative Stärke abfragen, bin ich sicher, dass wir hier eine größere Diversität an menschlichen Qualitäten erreichen können. Das kommt sicherlich den künftigen Patienten zu Gute."
Mehr Studienplätze gefordert
Die Mediziner hoffen nun, dass endlich mehr Studienplätze geschaffen werden. Das Bundesverfassungsgericht hat das zwar nicht eindeutig verlangt. Allerdings will es die Wartezeiten auf einen Studienplatz begrenzen. Das geht eigentlich nur, wenn die Länder ein größeres Angebot schaffen, so die Hoffnung vieler. Die Verkürzung der Wartezeiten könnte aber auch den gegenteiligen Effekt haben: Abiturienten, die heute noch warten dürfen, fliegen morgen früher raus.
„Die Politik sollte das Karlsruher Urteil als klaren Auftrag verstehen, ihrer Verantwortung für die ärztliche Nachwuchsförderung gerecht zu werden", sagte Montgomery. Die Bundesärztekammer fordert mindestens zehn Prozent mehr Studienplätze. Augenblicklich stehen den 45.000 Bewerbern gerade einmal 9.000 Studienplätze zur Verfügung - und das, obwohl Ärzte händeringend gesucht werden.
Foto: © Robert Kneschke - Fotolia.com