Adipositas: Neuer Wirkstoff soll Sättigungsgefühl auslösen

Bei manchen Menschen ist die Regulierung des Hunger- und Sättigungsgefühls gestört – Foto: ©LIGHTFIELD STUDIOS - stock.adobe.com
Für Übergewicht und Adipositas gibt es unterschiedliche Gründe. Bei einigen Betroffenen führt eine Mutation in der genetischen Bauanleitung des Leptin-Rezeptors (LEPR) bereits in den ersten Lebensmonaten zu einem starken Hungergefühl. Die Folge ist eine ausgeprägte Fettleibigkeit bereits in der Kindheit. In der Regel gelingt es den Patienten nicht, durch vermehrte Bewegung und reduzierte Kalorienaufnahme, das Körpergewicht längerfristig zu stabilisieren. Darüber hinaus ziehen die Patienten häufig keinen Nutzen aus einer Adipositaschirurgie. Im Rahmen einer aktuellen Studie haben Wissenschaftler der Charité – Universitätsmedizin Berlin Betroffene nun erfolgreich mit einem neuen Wirkstoff behandelt.
Peptid löst Sättigungssignal im Gehirn aus
Schon vor einigen Jahren konnte die Forschergruppe um Dr. Peter Kühnen vom Institut für Experimentelle Pädiatrische Endokrinologie der Charité zeigen, was für eine zentrale Rolle der Melanocortin-4-Rezeptor (MC4R) für den Energiehaushalt des Organismus und die Regulierung des Körpergewichts spielt: Im Gehirn führt normalerweise die Bindung des sogenannten „Sättigungshormons“ Leptin an den LEPR über mehrere Schritte zur Produktion des Melanozyten-stimulierendes Hormons (MSH). Die Bindung von MSH an MC4R löst dann das eigentliche Sättigungssignal in den Zellen aus. Ist der Rezeptor LEPR jedoch defekt, wird die Signalkaskade der Sättigung unterbrochen und ein ungestilltes Hungergefühl begünstigt das Entstehen einer Adipositas.
Das im Rahmen der jetzt im Journal Nature Medicine veröffentlichten Studie zur Behandlung eingesetzte Peptid bindet im Gehirn der Patienten an MC4R und löst das Sättigungssignal wieder aus. In Zusammenarbeit mit der Clinical Research Unit des Berliner Instituts für Gesundheitsforschung/Berlin Institute of Health (BIH) konnte das Team eine deutliche Gewichtsreduktion der behandelten Patienten mit LEPR-Gendefekt beobachten.
Wirkstoff hat keine schweren Nebenwirkungen
„Wir haben außerdem untersucht, weshalb das eingesetzte Peptid so wirksam ist und im Vergleich zu anderen Präparaten mit einem ähnlichen Wirkprinzip zu keinen schweren Nebenwirkungen führte“, erläutert Kühnen. „Hier konnten wir zeigen, dass ein besonderer Signalweg des MC4R aktiviert wird, der eine wichtige und bisher unterschätzte Rolle spielt.“ Die Forscher wollen nun herausfinden, ob es weitere Patienten gibt, die von dem Wirkstoff profitieren können: „Denkbar ist, dass es Patientengruppen mit einer Funktionsstörung in diesem Signalweg gibt, die für eine derartige Therapie in Frage kommen.“
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