21.000 Tötungen im Krankenhaus reine Effekthascherei?
21.000 Menschen sollen jedes Jahr im Krankenhäusern und Heimen getötet werden. Diese Zahl stellt der Psychiater Karl. H. Beine in seinem Buch „Tatort Krankenhaus“ in den Raum. Schuld soll ein kaputtes System sein, dass Morde und Misshandlungen an Kranken fördere. Die öffentliche Aufmerksamkeit dürfte Beine bei einer solchen Behauptung sicher sein. Doch wie ist der Autor eigentlich zu dieser Zahl gekommen? Bekannt gewordene Skandale wie um den Pfleger Niels H. aus Delmenhorst, der wegen Mordes an mehreren Patienten zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, sind an einer Hand abzuzählen.
Unscharfe Fragen
Für sein Buch hat Beine 5.055 Mitarbeiter aus Heimen und Krankenhäusern befragt. Auf die Frage „Haben Sie selbst schon einmal aktiv das Leiden von Patienten beendet?“ haben demnach 3,4 Prozent der Ärzte, 5 Prozent der Altenpfleger und 1,5 Prozent der Krankenpfleger mit „Ja“ geantwortet. In den Pflegeheimen waren es 1,4 Prozent der Kranken- und Altenpfleger. Hochgerechnet kommt man laut Beine dann eben auf 21.000 Tötungen.
Bei Pressenachfragen relativiert Beine allerdings seine Behauptung. Man könne aus den Antworten nicht auf 21.000 Morde oder Totschlagsdelikte schließen. Denn bei seinen empirischen Schätzungen hat er, das gibt er zu, nicht zwischen der passiven Sterbehilfe und Töten unterschieden. Dabei ist es etwas vollkommen anderes, wenn ein Arzt in Kauf nimmt, dass unheilbar Kranker an der schmerzlindernden Morphiumspritze stirbt, als wenn ein Pfleger den Patienten mit dem Kissen erstickt. Darum benutzt er auch nur den Konjunktiv – „hätte, wäre, könnte… „
Reaktionen auf das Buch
Beine räumte auf Pressenachfragen ein, seine Befragung sei nicht wissenschaftlich, doch er wolle mit seinem Buch einen Finger in die Wunde legen. Die Reaktionen darauf sind unterschiedlich. Während SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach keinen Zweifel an der Zahl hat und es wichtig findet, "das Thema anzusprechen", weist die Deutsche Krankenhausgesellschaft die Vorwürfe als Effekthascherei zurück. „Dies ist eine unverantwortliche Behauptung, die als völlig unseriös zurückzuweisen ist“, sagte DKG-Präsident Thomas Reumann. Da nicht zwischen der Begleitung von Sterbenden und Töten unterschieden werde, werde der palliativmedizinische Ansatz hier samt einer ganzen Berufsgruppe diskreditiert. „Ausgerechnet eine Berufsgruppe wird so unter Generalverdacht gestellt, die sich durch Empathie und die Sorge um das Wohlergehen kranker Menschen jeden Tag verdient macht.“
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