Wie schmerzempfindliche Nerven beruhigt werden können
Bei anhaltenden Schmerzreizen besteht immer die Gefahr, dass der Körper ein „Schmerzgedächtnis“ entwickelt und so ein chronischer Schmerz entsteht. Einer europäischen Schmerzstudie zufolge leiden etwa 17 Prozent der deutschen Bevölkerung an chronischen Schmerzen, das sind fast 14 Millionen Betroffene. Zu den häufigsten Krankheitsbildern chronischer Schmerzen gehören Rücken- und Kopfschmerzen, gefolgt von Nervenschmerzen.
Lösen beispielsweise Entzündungen anhaltende Schmerzreize aus, werden die Nervenendigungen in Haut und Bindegewebe mit der Zeit überempfindlich. Dies ist zunächst ein sinnvoller Mechanismus, damit die betroffene Stelle geschont wird. Auf Dauer kann sich der Schmerz jedoch verselbständigen und wird dann oft schwer behandelbar. Da chronische Schmerzen zu den problematischsten Krankheitsbildern gehören, arbeiten Wissenschaftler mit Hochdruck an neuen Therapien. Forscher vom Pharmakologischen Institut des Universitätsklinikums Heidelberg haben nun einen Signalweg entdeckt, mit dem die erhöhte Sensibilisierung von Nervenenden bei chronischen Schmerzen heruntergefahren werden kann.
GABA beruhigt Nervenenden
Unterschiedliche Schmerzarten werden auch durch unterschiedliche „Sensoren“ im Körper erfasst. Die Heidelberger Wissenschaftler untersuchten nun speziell die Sensibilisierung durch solche Schmerzreize, die mit Hilfe des „Schmerzsensors“ TRPV1 erfasst werden. Er reagiert unter anderem auf Hitze, Säure, aber auch auf bestimmte Botenstoffe des Immunsystems, die bei Entzündungen ausgeschüttet werden. Hält der Schmerzreiz länger an, wird TRPV1 verändert oder häufiger gebildet. Die Folge: Die Nervenenden sind leichter reizbar als sonst und melden bereits schwache Reize als Schmerz an das Gehirn.
Die Forscher entdeckten nun, dass ein Botenstoff des zentralen Nervensystems, GABA, die überempfindlich gewordenen Nervenenden beruhigen kann. Zwar ist die Rolle von GABA in der Schmerzregulation des Gehirns und des Rückenmarks bereits bekannt, doch bisher wurde seine Wirkung nicht im Bereich der Nervenenden vermutet. Genau dort entdeckte ihn die Heidelberger Arbeitsgruppe und wies auch den passenden Bindungspartner, das Eiweiß GABA B1, auf der Oberfläche der Nervenzellen nach. Die Wissenschaftler zeigten: Wird GABA B1 vom Botenstoff GABA aktiviert, versetzt es den TRPV1-Schmerzsensor wieder in seinen Ausgangszustand – die schmerzempfindlichen Nerven werden wieder beruhigt.
Nervenreize nicht völlig unterdrückt
Der genaue Mechanismus muss zwar noch geklärt werden, aber schon jetzt ist klar, dass GABA das Schmerzprotein TRPV1 nicht komplett abschaltet, sondern nur die erhöhte Reizbarkeit rückgängig macht. Dadurch bleiben die Nervenenden weiterhin für Reize empfänglich. Wie wichtig das ist, haben frühere Versuche, Medikamente gegen die Überempfindlichkeit der Nervenenden zu entwickeln, gezeigt. Die bisher erprobten Wirkstoffe schalteten TRPV1 komplett aus, doch ohne TRPV1 sind die Nervenzellen scheinbar auch nicht mehr in der Lage, die Körpertemperatur zu regulieren. So kam es in der Folge zu starken, fieberähnlichen Erhöhungen der Körpertemperatur.
Die Forscher erhoffen sich durch ihre Entdeckung nun weitere Erkenntnisse zur Entstehung chronischer Schmerzen. Zudem könnte der entdeckte Signalweg auch neue Ansatzpunkte für die Schmerztherapie bieten. Eventuell, so die Studienautoren, lässt sich der neue Mechanismus auch nutzen, um der Entstehung chronischer Schmerzen beispielsweise nach Bandscheibenvorfällen oder Operationen vorzubeugen.
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