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Wie man sich vor Reisedurchfall schützt

Montag, 20. Juni 2016 – Autor:
Als Reisediarrhö wird eine Durchfallerkrankung bezeichnet, die während des Urlaubs oder innerhalb von zehn Tagen nach der Rückkehr eintritt. Wie man sich vor Reisedurchfall schützt, und wie man ihn am besten behandelt, erklärt Prof. Manfred Gross.
Reisedurchfall

Wie man sich an besten vor Reisedurchfall schützt – Foto: absolutimages - Fotolia

Als Hochrisikogebiete gelten der Nahe und Mittlere Osten, Süd- und Südostasien, Süd- und Zentralamerika, Indien, Nepal, Zentral- und Westafrika, einige Karibikinseln, die Dominikanische Republik und Haiti. Dort erkranken innerhalb von zwei Wochen 20 bis 60 Prozent der Urlauber, schreibt der Arzt im Fachmagazin MMW – Fortschritte der Medizin.

Ein mittleres Erkrankungsrisiko (8 bis 20 Prozent) besteht laut Gross in Russland, Südafrika, Israel, Japan, den meisten Karibikinseln, Argentinien und Chile. Ein niedriges Risiko weisen Australien, Neuseeland, USA und Kanada auf. Eine unangenehme Folge der Reisediarrhö kann ein postinfektiöses Reizdarmsyndrom sein, das sich laut einer großen Metaanalyse bei 5 Prozent der Patienten ausbildet.

Reisedurchfall: Wie man sich vor den Erregern schützt

Die Reisediarrhö ist eine Infektionskrankheit, die durch Bakterien, Viren oder Parasiten hervorgerufen werden kann. Die Übertragung der Krankheitserreger erfolgt in der Regel durch Nahrung oder Wasser. Aus diesem Grund ist das Risiko in Gebieten mit schlechten hygienischen Bedingungen am größten. Der Spruch „Koch es, schäl‘ es oder vergiss‘ es“ gilt nach wie vor. Relativ sicher sind ausreichend erhitzte Nahrungsmittel, selbstgeschälte Früchte und abgefüllte oder desinfizierte Getränke.

Durch Gefrieren werden die Krankheitserreger nicht abgetötet. Deshalb sind Eiswürfel  gefährlich. Heißer Tee oder Kaffee haben ein geringes Infektionsrisiko. Der Genuß von Salat, zubereiteten Früchten oder unzureichend erhitzten Gerichten sind weitere Risikofaktoren. Händedesinfektionsmittel senken das Risiko für eine Reisediarrhö.

PPI erhöhen Risiko für Reisedurchfall

Probiotika zur Vorbeugung von Reisedurchfall wurden oft untersucht. Die Ergebnisse sind jedoch uneindeutig. Eine große Metaanalyse fand eine Risikominderung um etwa 15 Prozent, andere Analysen erkannten keinen Vorteil. Eine eingeschränkte Magensäurebildung durch die Einnahme von PPI erhöhen das Risiko für eine Reisediarrhö. Deshalb ist eine Medikamenten-Pause bei entsprechenden Auslandsreisen zu erwägen.

Reisedurchfall verursachen Bakterien, Viren und Parasiten

Meist handelt es sich bei der Reisediarrhö um bakterielle Infektionen. Die häufigsten Krankheitserreger sind enterotoxische E. coli (ETEC). Daneben kommen andere E.-coli-Stämme (insbesondere enteroaggregative E.-coli-Stämme, EAEC), Salmonellen, Campylobacter jejuni, Shigellen und Aeromonas in Betracht. Eine beträchtliche Rolle spielen auch Bakterien von der Gattung Vibrio.

Unter den Viren stehen Noro- und Rotaviren an erster Stelle (bis zu 10 Prozent). Infektionen mit Parasiten wie Giardia lamblia, Kryptosporidien oder Entamoeba histolytica machen weniger als 10 Prozent der Fälle aus. In 15–50 Prozent der Fälle kann aber  mikrobiologisch kein Erreger nachgewiesen werden.

Reisedurchfall: Symptome lassen Rückschlüsse auf Erreger zu

Aus der Symptomatik können Rückschlüsse auf den Krankheitserreger gezogen werden.  Bei wässrigen oder breiigem Durchfall sind Bakterien am wahrscheindlichsten (ETEC, EAEC, Shigellen, Campylobacter, Salmonellen) oder auch Viren. Bei einer Erkrankung, bei der Erbrechen im Vordergrund steht, sind es am ehesten Noro-Viren oder Toxine (Staph. aureus, Bacillus cereus). Bei blutiger Diarrhö, oft mit Fieber, sind Shigellen, Campylobacter, Salmonellen, EHEC, Non-Cholera-Vibrionen, Aeromonas, E. histolytica am ehesten die Ursache.

Mit zunehmender Dauer der Diarrhö werden Parasiten als Erreger wahrscheinlicher. Bei einem mehr als 14 Tage anhaltendem Reisedurchfall könnten Lamblien, E. Histolytica, Kryptosporidien, Cyclospora, Shigellen oder Mikrosporidien dahinterstecken. Auch Malaria-Erreger sind als Verursacher möglich: Die Infektion mit Plasmodium falciparum kann neben Fieber eine Diarrhö verursachen.

So behandelt man Reisedurchfall

In etwa 40 Prozent der Fälle verschwinden die Beschwerden bei einer Reisediarrhö nach ein bis zwei Tagen, ansonsten nach drei bis fünf Tagen – ohne Behandlung. Eine mögliche Behandlung hängt vom Schweregrad ab. Entscheidend ist der Ausgleich der Flüssigkeitsverluste zum Beispiel durch eine Rehydratationslösung, die die nötige Menge an Elektrolyten und Glukose enthält. Diese kann auch selbst hergestellt werden: Zu 1 l abgekochtem Wasser gibt man ½–1 Teelöffel (TL) Salz, ½ TL Backpulver (Natriumbicarbonat, falls verfügbar, geht aber auch ohne) und 5–10 TL Traubenzucker.

Die gängige Praxis einer Diät mit Tee und Zwieback oder Salzstangen wird von vielen Patienten als angenehm empfunden. Antibiotika oder die Darmbewegung hemmende Medikamente wie Loperamid sind bei einem unkompliziertem Verlauf meist entbehrlich. Kommt es zu Fieber und/oder blutigen Diarrhöen, ist Loperamid nicht zu empfehlen. Dann sollte eine Antibiotika-Gabe erfolgen. Das gilt auch bei erhöhtem Risiko für Komplikationen wie bei Patienten mit einem Immundefekt, Tumor-Patienten oder sehr alten Patienten.

Reisedurchfall: Die geeigneten Antibiotika

Die Wahl des Antibiotikums ist abhängig von eventuell bekannten Unverträglichkeiten und dem Reiseziel. Für die meisten Regionen sind Fluorchinolone wie Ciprofloxacin geeignet. Ciprofloxacin ist allerdings für Schwangere und Kinder nicht zugelassen. Auch die mögliche Fotosensibilisierung könnte bei vielen Reisezielen ein Problem darstellen. In Asien finden sich zudem vermehrt Resistenzen gegen Fluorchinolone, weshalb hier Azithromycin erste Wahl ist.

Rifaximin ist ebenfalls effektiv. Der große Vorteil ist die fehlende gastrointestinale Resorption und damit das Fehlen möglicher systemischer Nebenwirkungen. Bei invasiven Keimen mit Kolitis und blutiger Diarrhö sowie bei fieberhaften Verläufen mit mutmaßlicher Bakteriämie ist Rifaximin jedoch aufgrund dieser fehlenden systemischen Wirkung nicht zu empfehlen.

Kommt es unter einer Prophylaxe mit Rifaximin zu einer Reisediarrhö, empfiehlt sich Azithromycin. Bei dieser Therapie reicht die einmalige Gabe von 1000 mg. Azithromycin kann auch bei Kindern und Schwangeren eingesetzt werden. Ampicillin und Trimethoprim-Sulfamethoxazol werden aufgrund der Resistenzlage nicht als erste Wahl empfohlen.

Reisedurchfall: Medikamentöse Prophylaxe für Risikopersonen

Bei zeitlich befristeten Reisen ist eine medikamentöse Prophylaxe zu erwägen, wenn eine akute Diarrhö das Ziel der Reise, zum Beispiel  das Halten eines Vortrags oder Geschäftsverhandlungen vereiteln würde. Außerdem ist eine medikamentöse Prophylaxe bei Risikopersonen, zum Beispiel Immundefekt (HIV) oder chronisch-entzündlicher Darmerkrankung, indiziert.

Zur Prophylaxe eignen sich Ciprofloxacin (500 mg 1 x/Tag), Norfloxacin (400 mg 1 x/Tag) oder Rifaximin (200 mg 1–2 Tabletten/Tag). Ciprofloxacin hat den Nachteil, dass gehäuft resistente Campylobacter-Stämme vorkommen (eine häufige Ursache der Reisediarrhö in Süd- und Südostasien). Für Azithromycin gibt es wenige Daten in dieser Indikation. Die Prophylaxe sollte nicht länger als zwei bis drei Wochen dauern, schreiBt Gross in MMW.

Foto: absolutimages

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