Wenn Rückenschmerzen „nerven”
Rückenschmerzen gehören zu den großen, teuren Volkskrankheiten. Schätzungen zufolge verursachen sie in Deutschland rund 13 Milliarden Euro direkte und indirekte Kosten. Nicht zuletzt deshalb ist eine frühe Diagnose und Therapie äußerst wichtig. Doch im Durchschnitt dauert es hierzulande sieben bis zehn Jahre, bis Patienten richtig diagnostiziert werden und schließlich die richtige Therapie erhalten. Dadurch werden bei den meisten Patienten die Rückenschmerzen chronisch und bei einem guten Drittel, also etwa 1,4 Millionen Menschen, kommen chronische Nervenschmerzen so genannte neuropathischen Schmerzen hinzu. Eine fatale Mischung, die viel Leid erzeugt.
1,4 Millionen Menschen leiden an neuropathischen Schmerzen
Nach Auskunft von Prof. Dr. Ralf Baron, Leiter der Sektion Neurologische Schmerzforschung und –therapie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, werden Nervenschädigungen bei der Diagnose oft nicht in Betracht gezogen. „Schmerz ist nicht nur ein Symptom, Schmerz ist eine komplexe Krankheit, die viele Ursachen haben kann und hohe Anforderungen an Diagnostik und Therapie stellt“, sagt der Neurologe. Aus seiner Sicht liegt der Schlüssel zu einer effektiven, patientengerechten Therapie in einer guten neurologischen Untersuchung sowie in der Versorgung durch ein interdisziplinäres Behandlungsteam. Zentral für Menschen mit neuropathischen Schmerzen sei die medikamentöse Therapie. Herkömmliche Medikamente könnten bei neuropathischen Schmerzen kaum helfen, auch herkömmliche Entzündungshemmer nicht. Inzwischen gebe es aber eine Reihe von speziellen Medikamenten, die die geschädigten Nervenbahnen beruhigen und den Schmerzimpuls unterbinden könnten, so der Schmerzexperte aus Kiel.
Medikamentöse Therapien können das Leiden lindern
Die European Federation of Neurological Societies (EFNS) empfiehlt zum Beispiel den Einsatz des Wirkstoffs Pregabalin als ein Mittel der ersten Wahl in der Behandlung neuropathischer Schmerzen. Das Mittel gehört zur Gruppe der Antikonvulsiva und kann Schmerzexperten zufolge auch schmerzbedingte Schlafstörungen deutlich reduzieren. Schlafstörungen sind häufig die Folge chronischer Schmerzen und erzeugen viel zusätzliches Leid. Dazu Prof. Baron: „Je stärker die neuropathische Komponente ist, desto stärker ausgeprägt sind nicht nur die Schmerzen, sondern auch die Komorbiditäten und die Einschnitte in die Lebensqualität der Patienten. Die Pharmakotherapie chronischer Rückenschmerzen sollte daher nicht allein auf das Ausschalten des Schmerzes ausgerichtet werden, sondern die aktuelle Patientensituation im Fokus haben.“
Neuropathische Schmerzen entstehen, wenn das Nervensystem durch Verletzung oder Krankheit nachhaltig geschädigt und dadurch verändert wird. Sie entstehen zum Beispiel, wenn die Bandscheibe auf Nervenfasern drückt oder auch ohne mechanische Reizung, wenn Entzündungsmediatoren von der degenerierten Bandscheibe ausgehen. Durch Nervenverletzungen lassen sich auch die starken Schmerzen bei Osteoporose erklären, erläutert Professor Baron. „Die im Rahmen der Erkrankung auftretenden Wirbelbrüche können Nervenfasern im Inneren der so genannten Haversschen Kanäle verletzen und zu einer neuropathischen Schmerzkomponente beitragen.“
Foto: © underdogstudios - Fotolia.com
- Volkskrankheit Rückenschmerz
- Ursachen und Symptome
- Neuropathischer Schmerz
- Rückenschmerz und Psyche
- Diagnostik
- Behandlung