Viele Senioren sind abhängig von Arzneimitteln
Sonntag, 20. Juli 2014
– Autor:
Cornelia Wanke
Viele ältere Menschen leiden unter dem Tod geliebter Menschen, unter Krankheiten, nachlassender Selbstständigkeit und Einsamkeit. Manche greifen dann zu kleinen „Seelentröstern“ in Form von Schlaf- und Beruhigungsmitteln. Die mit den Pillen verbundenen Hoffnungen seien jedoch trügerisch, warnt der AOK-Bundesverband.
Aufgepasst bei "Seelentröstern": Viele davon machen abhängig!
– Foto: @ Bela Hoche
"Insbesondere Schlaf- und Beruhigungsmittel haben oft erhebliche Nebenwirkungen und können abhängig machen, wenn sie zu lange eingenommen werden", so Dr. Astrid Maroß, Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie im AOK-Bundesverband.
Laut Schätzungen der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen sind 1,4 bis 1,5 Millionen Menschen in Deutschland abhängig von Medikamenten mit Suchtpotenzial, davon bis zu 1,2 Millionen Menschen von Benzodiazepinen und verwandten Arzneimitteln. Das sind Medikamente, die zu den Psychopharmaka zählen. Sie sollen bei Schlafstörungen, Angstzuständen und Rückenschmerzen aufgrund von Muskelverspannungen helfen. Der Berliner Altersstudie zufolge nehmen etwa 25 Prozent der über 70-Jährigen Psychopharmaka ein, allein 13 Prozent Benzodiazepine. Vor allem ältere Frauen geraten in die Pillensucht, während Männer häufiger zu viel Alkohol trinken. Besonders hoch ist der Konsum von Psychopharmaka bei Senioren in Alten- und Pflegeheimen.
Ärzte sollten bei Senioren den Therapieplan immer sorgfältig überwachen
Am Anfang stehen oft Beschwerden und Krankheiten wie Schlafstörungen, Ängste, Depressionen oder Schmerzen, gegen die ältere Menschen Arzneimittel verordnet bekommen. „Problematisch ist es, wenn Senioren Präparate, die süchtig machen können, zu lange einnehmen", erklärt Maroß. Insbesondere bei Benzodiazepinen könne bereits eine niedrige Dosis abhängig machen. Ärzte müssten daher sehr sorgfältig den anfänglichen Therapieplan überprüfen und rechtzeitig
Schleichende Medikamenten-Abhängigkeit
„Eine Abhängigkeit entwickelt sich meist schleichend und bleibt oft lange unbemerkt", so Maroß weiter Denn die Symptome ähnelten häufig anderen Alterungserscheinungen wie Vergesslichkeit und Müdigkeit. Erschwert werde die Diagnose einer Medikamentensucht häufig dadurch, dass viele Senioren unter mehreren Krankheiten leiden, gegen die verschiedene Arzneimittel verordnet werden. Laut dem Versorgungs-Report des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) nahmen rund 36 Prozent der über 65-Jährigen im Jahr 2011 fünf oder mehr Arzneimittel ein. Mehr als 26 Prozent dieser Altersgruppe erhielten mindestens ein potenziell ungeeignetes Arzneimittel der sogenannten Priscus-Liste. Diese von Experten entwickelte Liste nennt derzeit 83 Wirkstoffe, die speziell für ältere Menschen problematisch sind.
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