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"Viele Patienten erreichen hervorragenden Therapieerfolg"

Montag, 7. Januar 2013 – Autor: Anne Volkmann
Der Rheuma-Experte Prof. Dr. Andreas Krause über Rheumatoide Arthritis, neuere Forschungen und den Nutzen von Biologika.
Andreas Krause

Prof. Dr. Andreas Krause

Herr Professor Krause, welche Fortschritte hat die Therapie der Rheumatoiden Arthritis in den vergangenen Jahren gemacht?

Krause: Wichtig ist erst einmal, dass wir die Rheumatoide Arthritis heute als Systemerkrankung verstehen. Zwar werden in erster Linie die Gelenkstrukturen zerstört, doch die chronische Entzündung hat auch Auswirkungen auf den ganzen Körper. So leiden Rheuma-Patienten, die nicht wirkungsvoll behandelt werden, beispielsweise verstärkt unter Herz-Kreislauf-Erkrankungen und sterben auch häufiger daran als andere. Die Therapieziele gehen daher darüber hinaus, Schmerzen zu lindern und die Gelenkfunktionen zu erhalten. Das steht zwar immer noch im Mittelpunkt unserer Bemühungen, aber wir haben mit den heutigen Medikamenten auch die Möglichkeit, Folgeerkrankungen der Rheumatoiden Arthritis zu vermeiden und eine annähernd normale Lebenserwartung zu erzielen.

Profitieren davon alle Patienten mit Rheumatoider Arthritis?

Krause: Nicht alle. Die Therapieziele und auch die Behandlungsergebnisse sind davon abhängig, wie früh die Patienten zu uns kommen. Wenn Patienten sehr früh, das heißt innerhalb des ersten Jahres, diagnostiziert werden, ist bei etwa der Hälfte der Betroffenen eine vollständige Remission möglich, das heißt, wir finden dann keine oder kaum Krankheitsaktivität mehr. Bei den anderen Patienten ist das Ziel zumindest eine niedrige Krankheitsaktivität. Es gibt allerdings auch immer noch Patienten, die nicht zufriedenstellend behandelt werden können. Das liegt in erster Linie daran, dass die Therapien immer ach Nebenwirkungen haben können. So kann es beispielsweise durch die Hemmung des Immunsystems zu vermehrten Infekten kommen, was die Therapiemöglichkeiten einschränken kann und teilweise sogar den  Abbruch der Therapie notwendig macht.

Brauchen wir dann nicht Medikamente, die eine geringere Streuwirkung haben und selektiver in das Geschehen eingreifen?

Krause: Genau, daran wird ja auch erforscht. Gerade die neueren, gentechnisch hergestellten Medikamente – die Biologika – greifen gezielter in das Immunsystem ein als die klassischen Basismedikamente. Dadurch sind sie natürlich auch effektiver. Auch ist die Verträglichkeit dieser Medikamente in vielen Bereichen besser als bei anderen Therapien, das heißt, die Organe wie Leber oder Nieren werden weniger beeinträchtigt. Auch die lange bestehende Befürchtung, dass bestimmte Biologika das Tumorrisiko erhöhen könnten, hat sich nicht bestätigt – außer eines anscheinend leicht erhöhten Risikos für Weißen Hautkrebs bei einer bestimmten Sorte von Biologika, den sogenannten TNF-Blockern. Das Infektionsrisiko ist unter den Biologika aber leider ebenfalls ewas erhöht.

Nun kam ja das IQWIG (Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen) vor einigen Monaten zu einem nicht ganz so positiven Ergebnis bezüglich der Biologika, wie sich das viele Experten erhofft hatten. Wie ist Ihre Einschätzung dazu?

Krause: Das IQWIG hat leider viele Studien, die wertvolle Daten geliefert hätten, nicht in seine Bewertung einbezogen, und auch die Registerdaten nicht beachtet. Wir haben durch die Register ja sehr gute Daten zur Wirkung und zu den Nebenwirkungen von Biologika, und das sind Daten, die aus dem „richtigen Leben“ stammen und nicht aus der doch sehr künstlichen Situation wissenschaftlicher Studien gewonnen wurden. Insofern waren die Kriterien für die Datenauswahl des IQWIG nicht unbedingt nachvollziehbar, was dann ja auch zu einem etwas verzerrten Ergebnis geführt hat.

Seit einigen Jahren stehen die Biologika ja im Fokus der Forschung. In welche Richtungen wird denn momentan noch geforscht?

Krause: Seit einiger Zeit wird vermehrt an den sogenannten Kinase-Hemmern geforscht, die auch in die Entzündungsprozesse eingreifen, indem sie intrazellulär die Signalübertragung in den Entzündungszellen blockieren. Von dieser Medikamentengruppe steht gerade eine Substanz kurz vor der Zulassung, weitere werden erwartet. Wahrscheinlich werden wir also in den nächsten Jahren eine neue Gruppe von effektiven Rheuma-Medikamenten erhalten.

Was wird sich dadurch für die Patienten ändern?

Krause: Sicher wird das ein weiterer Forschritt sein. Aber wir müssen auch sagen, dass wir ja heute schon bei vielen Patienten einen hevorragenden Therapieerfolg erreichen. Wenn ein Patient beispielsweise auf Biologika anspricht und sie verträgt, dann kann er ja einen heilungsähnlichen Zustand erreichen. Neue Medikamente brauchen wir vor allem für die Patienten, welche die bisherigen Basismedikamente oder Biologika nicht vertragen und bei denen es zu Infekten kommt.

Prof. Dr. Andreas Krause ist Chefarzt der Abteilung Rheumatologie und Klinische Immunologie der Klinik für Innere Medizin am Immanuel Krankenhaus in Berlin.  

Hauptkategorien: Gesundheitspolitik , Medizin

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