Fatale Lungenentzündungen bei Flüchtlingen haben Ärzte vor ein Rätsel gestellt. In einem Fall verlief die Infektion sogar tödlich. Wissenschaftler vom Klinikum rechts der Isar (TUM), dem Städtischen Klinikum München und dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) haben das Rätsel nun aufgeklärt. Bei der Überfahrt übers Mittelmeer in Schlauchbooten werden Flüchtlinge oft mit Benzinmischungen von ihren Schleusern ruhiggestellt. Die Verabreichung des Trunks ist nicht nur menschenverachtend, sondern auch lebensgefährlich. Benzin besteht aus aromatischen Kohlenwasserstoffen und kann schwerste Lungenentzündungen sowie andere Vergiftungen verursachen. Oft tritt die Hydrocarbonpneumonitis, wie diese Form von Lungenentzündung in der Fachsprache heißt, erst Wochen später auf. Neben der Sprachbarriere erschwert dies dem Behandler, die richtige Diagnose zu stellen.
Hydrocarbonpneumonitis ist keine normale Lungenentzündung
„Besonders problematisch ist, dass die Symptome der Erkrankung wie Fieber und Luftnot zunächst einer „normalen“ bakteriellen Lungenentzündung ähneln“, sagt Dr. Christoph Spinner von der TU München. Auf bildgebenden Verfahren wie Röntgen oder Computertomographie (CT) lasse sich weder die Ursache noch die Gefährlichkeit der Erkrankung erkennen. „Daher werden sie bei der medizinischen Untersuchung nach der Flucht oft verkannt“, so Spinner.
Drei Fälle schwerster Lungenentzündungen hatten die Wissenschaftler dazu bewogen, die geflüchteten Patienten und ihre Dolmetscher ausführlich zu befragen. In einem Fall verlief die Erkrankung tödlich: Ein 18-jähriger Äthioper verstarb nach erfolgloser Behandlung im Klinikum rechts der Isar an Organversagen. Ein junger Mann aus Somalia überlebte dagegen den schweren Verlauf, auch wenn die Medikamente wirklungslos waren. Ein anderer und verblüffend ähnlicher Fall wurde am Jamaica Hospital in New York von einem ehemaligen Mitarbeiter des Klinikums erfasst. Durch die Auswertung ergab sich ein klarer Zusammenhang zwischen Benzinmischungen und den schweren Lungenentzündungen bei Boots-Flüchtlingen.
Bericht in Lancet soll Ärzte sensibilisieren
Ihre Erkenntnisse haben die Wissenschaftler nun im Fachmagazin Lancet veröffentlicht, um wie es heißt, Ärzte in der ganzen Welt für diese Problematik zu sensibilisieren. Man erhoffe sich, dass eine rechtzeitige Differentialdiagnostik künftig zu einer besseren Patientenversorgung führt, damit frühzeitig gezieltere Behandlungsversuche unternommen werden können, so die Autoren.
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