Krebs tut oft lange Zeit nicht weh. Doch im fortgeschrittenen Stadium leiden viele Patienten oft unter unerträglichen Schmerzen, insbesondere wenn Knochenmetastasen vorliegen. Wissenschaftler vom Universitätsklinikum Heidelberg und dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) sind dem Tumorschmerz nun wissenschaftlich nachgegangen. In Experimenten konnten sie zeigen, dass Tumore bestimmte Botenstoffe ausschütten, die benachbarte Nervenzellen überempfindlich für Schmerzreize macht. Tumore produzieren diese Botenstoffe, um das Wachstum neuer Blutgefäße in ihrer Umgebung anzuregen. Der Sensor dieser Botenstoffe ist das Rezeptorprotein VEGF-Rezeptor 1, das sowohl in Blutgefäßen als auch in Nervenendigungen vorkommt. Schalteten die Wissenschaftler den VEGF-Rezeptor aus, linderte das die Tumorschmerzen, wie die Forscher in der Zeitschrift „Cancer Cell“ berichten.
Tumorschmerzen: Je mehr VEGFR1 an Nervenenden, desto mehr Schmerzen
Die Ergebnisse basieren auf Experimenten mit Mäusen und wurden indirekt durch die Analyse von menschlichen Tumorproben bestätigt. Die Heidelberger Forscher hatten in ihrer Studie zusätzlich das Tumorgewebe von Patienten mit einer bestimmten und sehr schmerzhaften Form des Bauchspeicheldrüsenkrebses, dem duktalen Pankreaskarzinom, untersucht. Dabei zeigte sich: Je stärker die Tumorschmerzen, desto mehr VEGFR1 fand sich auf der Oberfläche der Nervenendigungen. „Wir gehen davon aus, dass die Intensität der Tumorschmerzen direkt mit der Menge und Aktivität des Rezeptorproteins VEGFR1 zusammenhängt“, sagt Erstautorin Dr. Deepitha Selvaraj vom Pharmakologischen Institut der Universität Heidelberg. Laut der Krebsforscherin ist die Menge des Rezeptorproteins auf den umliegenden Nervenzellen ebenfalls auch bei Knochenmetastasen stark erhöht.
Unterschiedliches Schmerzempfinden noch ungeklärt
„Unsere Ergebnisse zeigen allerdings nur, wie es zur Sensibilisierung der Nervenzellen durch das Tumorwachstum kommt. Was anschließend den anhaltenden Tumorschmerz aufrechterhält, muss noch erforscht werden“, so die Wissenschaftlerin. Offen sei zudem die Frage, warum nur bestimmte Tumoren Schmerzen auslösen, andere, wie beispielsweise Brustkrebs, trotz gleicher Wachstumsmechanismen dagegen nicht.
Dennoch sehen Selvaraj und ihre Kollegen in ihrer Arbeit einen ersten Anhaltspunkt, wie Tumorschmerz in Zukunft besser behandelt werden könnte. Die Autoren empfehlen, direkt den Rezeptor 1 mit Hilfe spezieller Blocker auszuschalten. Die Gefahr, dass dabei gesunde Blutgefäße Schaden nehmen könnten, sei gering. „Bisher konnten wir keine Gefäßveränderungen bei einer R1-Blockade feststellen“, so die Heidelberger Wissenschaftler.
Der Originaltitel der Arbeit lautet “A Functional Role for VEGFR1 Expressed in Peripheral Sensory Neurons in Cancer Pain.”
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