Suchtbedingte Krankschreibungen nehmen zu
Der Fehlzeiten-Report 2013 des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) bringt es an den Tag. Die Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage, die durch die Einnahme von Suchtmitteln verursacht wurden, ist in den letzten zehn Jahren um rund 17 Prozent gestiegen. 2,42 Millionen Fehltage gingen im Jahr 2012 auf das Konto von Suchtmitteln, 2002 waren es noch 2,07 Millionen Fehltage. Alkohol und Tabakkonsum führen laut Fehlzeiten-Report die Statistik an. Doch die Experten registrieren auch einen besorgniserregenden Anstieg von leistungssteigernden Mitteln wie Psychopharmaka oder Amphetaminen.
Fünf Prozent der Arbeitnehmer machen Gehirndoping mit leistungssteigernden Mitteln
„Um berufliche Stresssituationen zu bewältigen, haben nach unserer Befragung immerhin fünf Prozent der Arbeitnehmer in den letzten zwölf Monaten Medikamente wie beispielsweise Psychopharmaka oder Amphetamine zur Leistungssteigerung bei der Arbeit eingenommen. Bei den unter 30-Jährigen trifft dies immerhin auf jeden Zwölften zu", sagte Helmut Schröder, Stellvertretender Geschäftsführer des WIdO. Die Dunkelziffer dürfte noch erheblich größer sein. „Studien zeigen, dass viele Menschen bereit sind, bei hoher Arbeitsbelastung stimulierende Mittel einzunehmen." Die Experten vom AOK Institut führen diesen Trend auf den zunehmenden Leistungsdruck, die Verdichtung der Arbeit oder die ständige Erreichbarkeit zurück. „All das kann dazu beitragen, dass Menschen Verhaltensweisen entwickeln, die zu Abhängigkeit und Sucht führen“, so Schröder.
Zu den beliebtesten Suchtmitteln gehören laut Wido-Studie Alkohol und Tabak. Fast 44 Prozent aller suchtbedingten Arbeitsunfähigkeitsfälle entfallen auf Alkoholkonsum. Immerhin gaben in der Befragung 5,3 Prozent der Berufstätigen zu, täglich Alkohol zu trinken. Der Anteil der Männer liegt dabei mit 8,9 Prozent fast viereinhalbmal über dem der Frauen (2 Prozent). Unabhängig vom Geschlecht steigt die Wahrscheinlichkeit eines regelmäßigen Alkoholkonsums mit dem Bildungsstand. Beim Tabakkonsum ist es laut Wido-Studie genau anders herum. Je höher der Bildungsstand ist, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit zu rauchen. Etwa ein Drittel aller Beschäftigten raucht demnach gelegentlich oder regelmäßig. Unterschiede zwischen den Geschlechtern gibt es nicht, dafür aber einen starken Bezug zum Alter. Mit steigendem Lebensalter nimmt der Anteil der Raucher ab.
„Süchtige“ sind länger krank als andere
Berufstätige, die aufgrund einer Suchterkrankung mindestens einmal krankgeschrieben waren, haben nach der Analyse des WIdO im Schnitt drei Mal so lange Arbeitsunfähigkeitszeiten wie Beschäftigte, die aus anderen Gründen krankgeschrieben wurden. „Die Sucht ruiniert nicht nur die Gesundheit der Betroffenen. Sie hat auch massive Folgen für die Wirtschaft. Allein die Kosten von Alkohol- und Tabaksucht belasten die deutsche Wirtschaft jährlich mit etwa 60,25 Milliarden Euro", rechnete Uwe Deh, Geschäftsführender Vorstand beim AOK-Bundesverband, vor.
Einen Ausweg sieht Deh durch verstärkte Erforschung von Präventionsmaßnahmen am Arbeitsplatz. „Damit wir diesem Trend wirksam Einhalt gebieten können, müssen wir noch besser verstehen, welche Präventionsprogramme tatsächlich Wirkung zeigen. Leider dominiert in Deutschland die Grundlagenforschung. Der politische Rückenwind für eine praxisnahe Präventions- und Versorgungsforschung fehlt bisher. Das muss sich dringend ändern", so Deh. Aber auch die Krankenkassen müssten aktiver werden. Themen wie die Einnahme von leistungssteigernden Mitteln müssten in Zukunft stärker in den Angeboten der Krankenkassen berücksichtigt werden können, forderte der AOK-Vorstand. Die AOK setze sich daher dafür ein, dass der Präventionsleitfaden, der den Rahmen für die Aktivitäten der Kassen definiert, entsprechend erweitert werde.
Für den Fehlzeiten-Report hatte WIdO eine Studie durchgeführt, in der über 2.000 Erwerbstätige zwischen 16 und 65 Jahren nach ihren Belastungen am Arbeitsplatz und den Umgang mit ihrer Gesundheit befragt wurden.
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