Hautläsionen zu beurteilen ist das täglich Brot von Hautärzten. Weil auch Ärzte irren können, haben Patienten ein Recht auf eine Zweitmeinung. Doch eine Zweitmeinung könnte noch zu wenig sein, wie die Ergebnisse einer neuen Studie nahelegen. Glaubt man den Aussagen der Studienautoren, verbessert sich die Genauigkeit von Hautkrebsdiagnosen, wenn mindestens drei Ärzte ihre Beurteilung abgeben. Jeder weitere Arzt verbessert noch einmal die Diagnose; erst ab dem zehnten Augenpaar hört der zusätzliche Nutzen auf. Das Phänomen nennt sich Schwarmintelligenz oder auch kollektive Intelligenz.
Hautkrebs-Diagnosen: Schwarmintelligenz potenziert die Treffergenauigkeit
Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung und des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei hatten für ihre Studie 102 Dermatologen um eine Diagnose von Hautläsionen gebeten. Der vermeintliche Hautkrebs wurde ihnen hochauflösend auf einer Online-Plattform präsentiert. Anschließend verglichen die Wissenschaftler die Trefferrate und die Rate an Fehldiagnosen der Einzelpersonen mit den Ergebnissen, die mittels Entscheidungsregeln der Kollektiven Intelligenz – hier der Mehrheits- und Quorumsregel – zusammengefasst wurden. Bereits drei unabhängige ärztliche Meinungen erhöhten die Diagnosegenauigkeit gegenüber der Bewertung des besten Hautarztes. Auch die Zahl an falsch-positiven und falsch-negativen Bewertungen –konnte in der Studie gesenkt werden.
Bei der Mehrheitsregel gilt eine Diagnose als gesichert, wenn die Mehrheit der Ärzte zum gleichen Ergebnis kommt, bei der Quorumsregel muss eine festgelegte Anzahl an Personen die gleiche Einschätzung teilen.
Online-Diagnosen sind vorstellbar
„Mit der Anwendung von Regeln der Schwarmintelligenz können Hautkrebsdiagnosen treffsicherer gestellt werden“, sagt Erstautor der Studie Ralf Kurvers vom Forschungsbereich „Adaptive Rationalität“ des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung. Ähnliche Ergebnisse konnte das Autorenteam unlängst in einer Studie zum Brustkrebs-Screening zeigen.
Die Forscher halten es nicht für ausgeschlossen, dass das Konzept der Schwarmintelligenz auch in der ärztlichen Praxis Schule machen könnte. Zwar bedeute dies für zunächst einen Mehraufwand, da ja der Arzt auch die Patienten seiner Kollegen beurteilen müsse, meint Kurvers. Durch computerbasierte Unterstützung wie zum Beispiel der Präsentation und Bewertung der Hautläsionen auf Online-Plattformen oder durch entsprechende Software sei dieser Mehraufwand nach Ansicht der Studienautoren für den einzelnen Mediziner aber „handhabbar.“
Die Studie wurde unter dem Titel „Detection accuracy of collective intelligence assessments for skin cancer diagnosis“ im Fachmagazin JAMA Dermatology veröffentlicht.
Foto: Krebsgesellschaft