Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt
Logo Gesundheitsstadt Berlin
Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt

Schlafentzug erzeugt Chaos im Gehirn

Freitag, 25. Juli 2014 – Autor:
Schlafentzug kann extreme Zustände hervorrufen. In Experimenten mit gesunden Probanden stellte ein internationales Forscherteam jetzt sogar Schizophrenie ähnliche Zustände fest. Die Wissenschaftler waren von den Ergebnissen selber überrascht.
Schlafentzug erzeugt Chaos im Gehirn

Im Schlaflabor: Nach 24 Stunden Schlafentzug kommt es zur Reizüberflutung, ähnlich wie bei einer Psychose

Eine durchgemachte Nacht kann unsere Gehirn ganz schön durcheinanderbringen. Dass ein 24-stündiger Schlafentzug bereits Schizophrenie ähnliche Symptome bei gesunden Menschen hervorrufen kann, haben ein internationales Forscherteam unter Federführung der Universität Bonn und des King’s College London herausgefunden. „Uns war klar, dass es nach einer durchwachten Nacht zu Beeinträchtigungen des Konzentrationsvermögens kommt“, sagt Prof. Dr. Ulrich Ettinger vom Institut für Psychologie der Universität Bonn. „Wir waren aber überrascht, wie ausgeprägt und wie breit das Spektrum der Schizophrenie ähnlichen Symptome war.“

In ihren Experimenten wurden 24 gesunde Männer und Frauen im Alter von 18 bis 40 Jahren ins Schlaflabor geschickt. In einem ersten Durchgang sollten die Testpersonen ganz normal im Labor durchschlafen. Eine Woche später wurden sie die ganze Nacht über mit Filmen, Gesprächen, Spielen und kurzen Spaziergängen wachgehalten. Am nächsten Morgen wurden die Probanden jeweils zu ihren Eindrücken befragt. Außerdem führten die Wissenschaftler eine Messung der Filterfunktion des Gehirns, eine so genannte Präpulsinhibition durch. „Die Präpulsinhibition zeigt eine bedeutende Funktion des Gehirns: Filter trennen Wichtiges von Unwichtigem und beugen einer Reizüberflutung vor“, sagt Erstautorin der Studie Dr. Nadine Petrovsky.

Schlafentzug: Gehirn kann Wichtiges nicht von Unwichtigem unterscheiden

Bei den Probanden war diese Filterleistung des Gehirns nach einer durchwachten Nacht stark reduziert. „Es kam zu ausgeprägten Aufmerksamkeitsdefiziten, wie sie auch typischerweise bei einer Schizophrenie auftreten“, berichtet Prof. Ettinger. „Die unselektierte Informationsflut führte zu einem Chaos im Gehirn.“ Nach dem Schlafentzug gaben die Probanden zudem in Fragebögen an, etwa sensibler für Licht, Farbe oder Helligkeit zu sein. Zeitgefühl und Geruchssinn waren demnach verändert, die Gedanken sprangen. Manche Übernächtigen hatten sogar den Eindruck, Gedanken lesen zu können oder eine veränderte Körperwahrnehmung zu bemerken. „Wir hatten nicht erwartet, dass die Symptome nach einer durchwachten Nacht so ausgeprägt sein können“, sagt der Psychologe der Universität Bonn. Bleibende Schäden hätten die Probanden durch den Schlafentzug nicht zu befürchten. „Nach einem ausgiebigen Erholungsschlaf sind die Symptome wieder verschwunden“, so Psychologin Petrovsky.

Modell für die Entwicklung von neuen Medikamente gegen Psychosen

Die Ergebnisse der Studie sind im Fachmagazin „The Journal of Neuroscience“ erschienen. Was die Erkenntnisse bringen? Sie könnten zur Erforschung von Medikamenten gegen Psychosen dienen, meinen die Wissenschaftler. Außerdem könnten die Erkenntnisse relevant sein für Menschen, die nachts arbeiten müssen. Hier gelte es die Zusammenhänge näher zu untersuchen. Untersucht werden soll auch, ob bei „Nachtarbeitern“ die Symptome des Schlafentzugs durch Gewöhnung allmählich schwächer werden.

Foto: Dr. Nadine Petrovsky und Prof. Dr. Ulrich Ettinger vom Institut für Psychologie der Universität Bonn bestimmen bei einem Probanden (Mitte) mit der Präpulsinhibition die Filterfunktion des Gehirns. (c) Foto: Volker Lannert/Uni Bonn

Hauptkategorie: Medizin
Lesen Sie weitere Nachrichten zu diesen Themen: Schizophrenie , Psychiatrie , Psychische Krankheiten , Psychologie

Weitere Nachrichten zum Thema Psychosen

Aktuelle Nachrichten

Weitere Nachrichten
Die Langzeitfolgen der Corona-Pandemie machen Beschäftigten in Gesundheitsberufen besonders zu schaffen. Das zeigt eine Analyse der AOK-Nordost für Berlin. Eine Berufsgruppe ist sogar doppelt so oft betroffen wie der Durchschnitt der Versicherten.

Die Charité hat am Montag eine stadtweite Kampagne gestartet, um neue Mitarbeitende zu gewinnen. Besonders Pflegekräfte werden umworben, aber auch in Forschung, Lehre und Verwaltung sucht die Universitätsmedizin Verstärkung.

Trotz internationaler Transparenzregeln werden viele klinische Studien nicht veröffentlicht. Wichtige Ergebnisse bleiben somit verborgen. Dem setzt das Berlin Institute of Health (BIH) der Charité nun mit einem öffentlich einsehbaren Dashboard etwas entgegen.
Kliniken
Interviews
Einen ambulanten Pflegedienst in Berlin zu finden, ist schwierig geworden. Personalmangel ist das Hauptproblem. Dabei gäbe es relativ einfache Lösungen, sagt Thomas Meißner vom AnbieterVerband qualitätsorientierter Gesundheitspflegeeinrichtungen (AVG). Im Gespräch mit Gesundheitsstadt Berlin verrät der Pflegeexperte und Chef eines häuslichen Krankenpflegedienstes, wie man Menschen in den Pflegeberuf locken könnte und warum seine Branche noch ganz andere Sorgen hat als die Personalfrage.

Affenpocken verlaufen in der Regel harmlos. Doch nicht immer. Dr. Hartmut Stocker, Chefarzt der Klinik für Infektiologie am St. Joseph Krankenhaus in Berlin Tempelhof, über die häufigsten Komplikationen, die Schutzwirkung der Impfung und den Nutzen von Kondomen.

Zöliakie kann in jedem Lebensalter auftreten und ein buntes Bild an Beschwerden machen. Bislang ist das wirksamste Gegenmittel eine glutenfreie Ernährung. Gesundheitsstadt Berlin hat mit PD Dr. Michael Schumann über die Auslöser und Folgen der Autoimmunerkrankung gesprochen. Der Gastroenterologe von der Charité hat an der aktuellen S2K-Leitinie „Zöliakie“ mitgewirkt und weiß, wodurch sich die Zöliakie von anderen Glutenunverträglichkeiten unterscheidet.
Logo Gesundheitsstadt Berlin