Schizophrenie: Gehirn weist geringere Netzwerkstabilität auf
Etwa ein Prozent der Menschen erleiden in ihrem Leben mindestens eine schizophrene Episode. Erste Anzeichen treten meist bei jungen Erwachsenen zwischen dem 18. und 35. Lebensjahr auf. Während es bei rund einem Viertel der Patienten bei einer einmaligen Krankheitsepisode bleibt, erlebt die überwiegende Mehrheit weitere Episoden. Forscher des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim und der Universität von Philadelphia gingen nun der Frage nach, wie sich die Gehirne von Patienten mit Schizophrenie von denen Gesunder unterscheiden. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences.
Bisher ist über die genauen Ursachen und Auslöser der Schizophrenie nur wenig bekannt. Seit einiger Zeit weiß man jedoch, dass der Botenstoff Glutamat bei der Entstehung und dem Verlauf einer Schizophrenie eine zentrale Rolle spielt. Allerdings ist noch unklar, wie es zu der veränderten glutamatergen Signalübertragung im Gehirn kommt und wie genau diese zu Veränderungen von Gedanken, Stimmung und Wahrnehmung führt. Nun wurde jedoch ein Mechanismus gefunden, der erklären könnte, wie die beeinträchtigte Signalübertragung zwischen einzelnen Nervenzellen die Informationsverarbeitung und Zuverlässigkeit des gesamten Hirns beeinflusst.
Signalübertragung der Nerven bei Schizophrenie gestört
Mittels funktioneller Magnetresonanztomographie untersuchten die Forscher, wie die Hirnregionen von Patienten mit Schizophrenie im Vergleich zu Gesunden während einer Arbeitsgedächtnisaufgabe miteinander „sprechen“ und so ein Netzwerk bilden. Dabei zeigte sich, dass die Gehirne von erkrankten Personen weniger stabile Netzwerke ausbildeten als die von gesunden Probanden. Und die ebenfalls untersuchten Gehirne von Angehörigen der Schizophrenie-Patienten wiesen nur eine mittlere Stabilität auf. Bei ihnen konnte zudem die Hälfte der Risikogene für eine Schizophrenie-Erkrankung gefunden werden, doch die Krankheit kam bei ihnen nicht zum Ausbruch.
Damit ist auch noch einmal bestätigt, dass die Gene eine große Rolle bei der Entstehung der Schizophrenie spielen. Erst im vergangenen Jahr hatten Wissenschaftler des Universitätsklinikums Heidelberg bei Schizophrenie-Patienten zehn bislang unbekannte spezifische Genveränderungen entdeckt. Die Mutationen betrafen ein Gen, das den Bauplan für ein Protein liefert, das wiederum bei der Signalweitergabe zwischen Nervenzellen eine wichtige Rolle spielt. Wie Dr. Heike Tost, eine der Autorinnen der neuen Studie betont, unterstützt die aktuelle Untersuchung nun das Wissen um die genetische Risikoarchitektur von Schizophrenie. Und hierbei zeige sich „ein deutlicher Fokus auf Gene, die in die glutamaterge Signalübertragung im Gehirn involviert sind.“
Botenstoff Glutamat spielt eine wichtige Rolle
„Dieser Befund bekräftigt unseren Verdacht, dass die weniger stabilen Netzwerke bei Erkrankten tatsächlich durch die Erkrankung selbst und nicht durch Begleitfaktoren wie zum Beispiel die Medikation verursacht wurden“, so Tost weiter. Um ihre These bezüglich der molekularen Grundlagen der Stabilität von Hirnnetzwerken zu erhärten, untersuchten die Forscher daraufhin die Gehirne der gesunden Probanden unter Einfluss des Wirkstoffs Dextrometorphan, der die glutamaterge Signalübertragung hemmt. Die Studienteilnehmer bearbeiteten nun nach Einnahme des Wirkstoffs dieselbe Arbeitsgedächtnisaufgabe wie zuvor. Dabei zeigten auch sie weniger stabile Netzwerke, was den vermuteten Zusammenhang zwischen veränderter Glutamat-Signalübertragung und instabilen Netzwerken noch einmal unterstützt.
„Die Studie ist besonders interessant, da erstmals die molekularen Ursachen für die Netzwerkveränderungen beschrieben werden, die wir bei der Schizophrenie sehen“, fasst Urs Braun, ebenfalls einer der Studienautoren, die Ergebnisse zusammen. „Wir verstehen zunehmend, dass Schizophrenie eine Erkrankung dynamischer Hirnnetzwerke ist, und brauchen dringend weitere Studien, die eine Verbindung herstellen zwischen der molekularen, zellulären und systemischen Ebene der Hirnfunktion.“
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