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Sachverständigenrat fordert Strukturreformen in der Pflege

Donnerstag, 3. Juli 2014 – Autor: Michael Schulz
Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen hat 14 Punkte für eine bessere „Pflegerische Langzeitversorgung“ vorgelegt. Dabei spart der Rat nicht an Kritik: Angesichts der demografischen Herausforderungen seien viele der bislang diskutierten Reformansätze nur begrenzt wirksam.
Gutachten zur Langzeitversorgung in der Pflege

Der Sachverständigenrat hat ein Gutachten zur Pflegerischen Langzeitversorgung erstellt

Die pflegerische Versorgung wird bis 2050 einen deutlichen Kapazitätsausbau erfahren müssen. Die Ursache hierfür liegt in einer Verdopplung der Zahl der Pflegebedürftigen. Dies geht aus dem Gutachten "Bedarfsgerechte Versorgung – Perspektiven für ländliche Regionen und ausgewählte Leistungsbereiche" des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen hervor. Übergeben wurde dieses jetzt an Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU).

Kleinteilige Leistungsergänzungen führen nicht zwingend zu einer besseren Versorgung

Nur begrenzt wirksam seien viele der gegenwärtig diskutierten Reformansätze, heißt es im Gutachten mit Blick auf den Anstieg der Zahl der Pflegebedürftigen, den zunehmenden Personalnotstand in der Pflege, die schwierigen Arbeitsbedingungen und die Unterbezahlung der Pflegenden. Die kleinteiligen, additiven Leistungsergänzungen der letzten Jahre hätten nicht zu einer insgesamt besseren Versorgung geführt, kritisiert der Sachverständigenrat. Nötig sei eine Änderung der Architektur der Versorgung.

Für Gröhe enthält das Gutachten „wertvolle Impulse für die medizinische Versorgung gerade in strukturschwachen Regionen“ und biete eine gute Diskussionsgrundlage für Maßnahmen“. In Kürze werde man gesetzliche Maßnahmen auf den Weg bringen, um die Rahmenbedingungen weiter zu verbessern.

„Dass bei der Lösungssuche nun der konkrete Bedarf der Patienten in den Mittelpunkt gestellt wird, ist genau richtig“, sagt Uwe Deh, Geschäftsführender Vorstand des AOK-Bundesverbandes. Es sei „abwegig, einfach nur immer mehr Geld in die historisch gewachsenen Strukturen zu investieren“. Mit seinen Vorschlägen stelle der Sachverständigenrat die Debatte „vom Kopf auf die Füße“, so Deh.

„Pflegende brauchen neue Lösungen anstatt kleinteilige Reformen“, mahnt Andreas Westerfellhaus, Präsident des Deutschen Pflegerates e. V. (DPR). Er fordert eine schnelle Umsetzung der Lösungsvorschläge. Denn „die Arbeitsbedingungen der professionell Pflegenden und deren Bezahlung lassen nach wie vor zu wünschen übrig“. Für Franz Wagner, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe e. V. (DBfK), belegt das Gutachten erneut, „dass die Ressource, die in der Berufsgruppe Pflege steckt, bisher nicht ausreichend genutzt wurde“.

Sachverständigenrat legt 14 Punkte für eine bessere Pflege vor

Der Sachverständigenrat fordert eine weitgreifende Strukturreform der pflegerischen Versorgung und hat diese in 14 Punkte zusammenfasst.

Fragezeichen setzt er hinter die Ausweitung der Ausbildungskapazitäten und hinter Imagekampagnen für die Pflege. Das werde zur Beseitigung des Fachkräftemangels nicht ausreichen, mahnt er und empfiehlt eine Reform der Pflegeausbildung sowie die Akademisierung der Pflege. Generell sei in allen Bereichen der Versorgung eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und auch der Bezahlung der Pflege notwendig.

Unverzüglich und ohne weitere langjährige Erprobung eingeführt werden müsse der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff. Zu forcieren sei die Gesundheitsförderung im Alter, wie auch die „noch in den Kinderschuhen“ steckende rehabilitative Pflege, heißt es im Gutachten weiter.

Lokale Gesundheitszentren sind vielversprechend

Ausgebaut werden müsse die ambulante Pflege. Dafür spreche, dass die Möglichkeiten häuslicher Versorgung infolge des medizinisch-pharmakologischen Fortschritts deutlich gewachsen seien. Der Sachverständigenrat plädiert hierbei für eine neue Form der Arbeitsorganisation. So soll es mit Hilfe der Einführung von Case Management und Primary Nursing zu einer Verbesserung der personellen Kontinuität und der Versorgungsqualität kommen.

In Regionen mit einer geringen Versorgungsdichte sieht das Gutachten Verbund- oder Netzwerkbildungen und lokale Gesundheitszentren zur Primär- und Langzeitversorgung als sinnvoll an. Erforderlich hierfür seien ein flexibleres Pflege-Leistungsrecht, ein weitergefasstes Pflegeverständnis sowie ein anderer Professionenmix. Für letzteren sollten die bislang gestellten gesetzlichen Weichen (§ 63 Abs. 3c SGB V) auf den Prüfstand gestellt und vereinfacht werden, fordert der Rat.

Stationäre Langzeitpflege benötigt mehr Personal

Für die Weiterentwicklung der stationären Langzeitpflege und zur Bewältigung der veränderten Bedarfssituation der Heimbewohner gehöre vor allem eine bessere Personalausstattung sowie eine Einbindung spezialisierter (klinischer) Kompetenzen und Qualifikationen, wie beispielsweise im Bereich der Palliativpflege und der gerontopsychiatrischen Pflege, führt das Gutachten weiter aus.

Dringend erforderlich sei außerdem der Aufbau einer neuen Form der stationären Übergangsversorgung in Anlehnung an die heute verfügbaren Angebote der Kurzzeitpflege, aber mit einer verbesserten Ausstattung. Diese müsse dem akuten Versorgungsbedarf und den Rehabilitationserfordernissen nach frühzeitiger Krankenhausentlassung Rechnung tragen.

Letztlich empfiehlt der Sachverständigenrat, die den Pflegekassen zur Verfügung stehenden Mittel zur Weiterentwicklung der Pflege zu 30 Prozent in der Pflegeforschung einzusetzen. Nur so sei es möglich, den gestiegenen Anforderungen in der Pflege(praxis) gerecht zu werden.

Foto: © DOC RABE Media - Fotolia.com

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