Regierung verteidigt Pflegevorsorgefonds
Das Bundeskabinett hat in der letzten Woche den Gesetzentwurf eines 1. Pflegestärkungsgesetzes verabschiedet. Demnach sollen ab dem Jahr 2015 die Einnahmen aus 0,1 Beitragssatzpunkten zur Pflegeversicherung (im Jahr 2015 rund 1,2 Milliarden Euro) 20 Jahre lang in einen Vorsorgefonds fließen und ab 2035 wiederum 20 Jahre lang ausschließlich zur Stabilisierung der Beiträge von dort wieder entnommen werden.
Pflegevorsorgefonds soll für Beitragsentlastung nach dem Jahr 2035 sorgen
In den nächsten Jahrzehnten werde die Zahl der Pflegebedürftigen deutlich steigen, schreibt die Regierung weiter. Den Höhepunkt erreiche die Entwicklung, wenn ab etwa dem Jahr 2035 die geburtenstarken Jahrgänge pflegebedürftig würden. Die Zahl der Pflegebedürftigen werde von derzeit rund 2,5 Millionen über etwa 3,5 Millionen im Jahr 2030 auf über vier Millionen im Jahr 2050 ansteigen.
Nach dem Jahr 2055 jedoch werde die Zahl der Pflegebedürftigen wieder sinken. Damit ergebe sich abhängig von der Zahl der Beitragszahler bei der Beitragsbelastung „voraussichtlich eine gewisse Entspannung“. Der Vorsorgefonds mit seiner Gesamtlaufzeit von 40 Jahren sei darauf angelegt, die Spitzenbelastung abzufedern.
Maximales Kapitalvolumen liegt bei 37 bis 42 Milliarden Euro
Das maximale Kapitalvolumen des Fonds taxiert die Regierung, ausgehend von den Durchschnittszinsen der vergangenen 20 Jahre, auf 37 bis 42 Milliarden Euro. Eine Zweckentfremdung des Geldes werde ausgeschlossen. Das Sondervermögen diene allein der Stabilisierung der Pflegebeiträge. Eine gesetzlich festgelegte Obergrenze für die Entnahme von Mitteln aus dem Fonds stelle außerdem sicher, dass das Geld nicht in kurzer Zeit verbraucht werde.
Pflegevorsorgefonds ist für die SPD „ein sehr schmerzlicher Kompromiss“
„Der geplante Vorsorgefonds führt dazu, dass heute das Geld in der Pflegeversicherung fehlt. Anstatt es unsicheren Aktien oder Aktienfonds auf den Finanzmärkten anzuvertrauen, sollte das Geld in die regelhafte Dynamisierung von Leistungen investiert werden“, fordert AWO Bundesvorstandsmitglied Brigitte Döcker.
Ablehnung kommt auch von der SPD-Bundestagsfraktion. Deren gesundheitspolitische Sprecherin, Hilde Mattheis, sagte in Berlin: „Die im Kabinettsentwurf vorgesehene Verwendung von Beitragsgeldern für den Aufbau eines sogenannten Pflegevorsorgefonds wäre für uns ein sehr schmerzlicher Kompromiss". Ihr Kollege, Jens Spahn (CDU), meint dagegen: „Die Große Koalition kann auch Generationengerechtigkeit“.
Dem widerspricht Elisabeth Scharfenberg, Sprecherin für Pflege- und Altenpolitik der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen. Für sie „vergeudet die Koalition ein Drittel der zusätzlichen Finanzmittel an den völlig unsinnigen Pflegevorsorgefonds“. Schwarz-Rot bleibe unbelehrbar. „Der Fonds wird nie dazu in der Lage sein, den Beitragssatz in nennenswertem Maße zu entlasten“, mahnt Scharfenberg.
Das sieht auch der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). „Der vorgesehene Pflegevorsorgefonds wird die Beiträge nicht nachhaltig stabilisieren“, sagte vzbv-Vorstand Klaus Müller. Er zweige Einnahmen aus Beiträgen ab, „die derzeit dringend für die Reformanforderungen benötigt werden“, so Müller.
„Fonds verhindert nicht einmal ein Zehntel des notwendigen Beitragssatzanstieges“
Mahnende Worte kommen auch von Jürgen Graalmann, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes. Er wirbt für eine realistische Erwartungshaltung. Namhafte Wissenschaftler hätten erst jüngst darauf hingewiesen, dass mit dem Fonds nicht einmal ein Zehntel des notwendigen Beitragssatzanstieges verhindert werden könne. „Zumindest braucht der Vorsorgefonds eine verlässliche Finanzprognose“, betont der AOK-Chef.
Bekräftigt hat auch die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) ihre Vorbehalte. ver.di wirbt stattdessen für eine Ausbildungsoffensive. "Wir dringen darauf, die für den Pflegevorsorgefonds geplanten Beitragsgelder für die Einrichtung von jährlich rund 10.000 zusätzlichen Ausbildungsplätzen zu nutzen", sagte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler.
Positiv zum Pflegevorsorgefonds äußert sich dagegen die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Aus deren Sicht ist es „grundsätzlich richtig, einen Teil des zusätzlichen Beitragsaufkommens in einen Pflegevorsorgefonds zu investieren, der später zur Stabilisierung des Beitragssatzes genutzt werden soll“. Ein vorzeitiger politischer Zugriff und zweckfremde Mittelverwendung müsse jedoch verhindert werden.
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