Rauchen scheint Psychosen zu begünstigen
Menschen mit einer Psychose wie Schizophrenie sind überproportional häufig Raucher. Bislang ging man davon aus, dass das Rauchen eine Folge der Erkrankung ist. So wurden Zigaretten als eine Art Selbstmedikation angesehen, die dazu dienen soll, Krankheitssymptome und Nebenwirkungen der Medikamente zu verringern. Wissenschaftler des Instituts für Psychiatrie, Psychologie und Neuroscience am King's College London stellen diese Kausalität nun in Frage. Bei der Analyse von 61 Studien stellte das Team um Dr. James MacCabe fest, dass 57 Prozent der Betroffenen zum Zeitpunkt der Erstdiagnose bereits Raucher waren. Im Vergleich zur nichtrauchenden Kontrollgruppe war das Risiko für eine Psychose dreimal höher als bei den Rauchern. Menschen, die täglich rauchten, erkrankten zudem durchschnittlich ein Jahr früher.
Rauchen als Risikofaktor für Psychosen: Kausalität in Frage gestellt
Wenn der Anteil der Raucher schon vor der Diagnose Schizophrenie höher liegt, dann handelt es sich beim Griff zur Zigarette nicht einfach nur um eine Selbstmedikation, argumentieren die Wissenschaftler im Fachmagazin „Lancet Psychiatry.“„Dieser Fund stellt die Selbstmedikations-Theorie in Frage“, erklärt MacCabe. Vermutlich spiele das Rauchen neben genetischen Faktoren und Umwelteinflüssen eine viel größere Rolle als bislang angenommen. „Rauchen sollte daher als Risikofaktor ernst genommen werden und nicht einfach als Konsequenz der Erkrankung abgetan werden", so der Psychiater weiter.
Dopaminhaushalt unter Verdacht
Eine Erklärung, warum Rauchen Schizophrenien begünstigt – und nicht umgekehrt – könnte eine Veränderung des Dopaminhaushalts im Gehirn sein. „Der Dopaminüberschuss im Gehirn ist die beste biologische Erklärung, die wir für Psychosen wie Schizophrenie haben“, sagt Professor Sir Robin Murray vom King‘s College. „Es ist gut möglich, dass Nikotin mehr Dopamin freisetzt und so die Entwicklung einer Psychose begünstigt.“
Dennoch räumen MacCabe und seine Kollegen ein, dass ein ursächlicher Zusammenhang schwer nachzuweisen ist. Zudem hätten nur wenige der 61 analysierten Studien andere beeinflussende Substanzen wie Cannabis mit einbezogen. Die Wissenschaftler fordern deshalb weitere Forschung, um den Zusammenhang zwischen starkem Rauchen, gelegentlichem Rauchen und der Entwicklung von Psychosen besser zu verstehen.
In die Meta-Analyse „Does tobacco cause psychosis?“ flossen Daten von 15.000 Rauchern und 273.000 Nicht-Rauchern ein.
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