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Psychisch Kranke profitieren von Netzversorgung

Freitag, 10. Oktober 2014 – Autor: Angela Mißlbeck
Patienten mit psychischen Erkrankungen kommen nach einer Krankenhausbehandlung im Alltag oft nicht zurecht und landen schnell wieder in der Klinik. Ein Projekt in Berlin zeigt, dass es auch anders geht.
vernetzte Versorgung hilft bei psychischen Erkrankungen Krankenhausaufenthalte vermeiden

Ein Berliner Versorgungsnetz fängt Psychiatrie-Patienten auf

Fünf Klinikaufenthalte hatte der 43-jährige Klaus P. bereits hinter sich, als er 2008 mit Suizidgedanken die Praxis eines Berliner Psychiaters aufsuchte, der in der Psychiatrie Initiative Berlin-Brandenburg (PIBB) mitwirkt. Mit seinen Diagnosen Schizophrenie, Haschischsucht und begleitende Depression konnte er sich nicht vorstellen, seine Arbeit wieder aufzunehmen. Doch die PIBB-Ärzte organisierten für den Patienten noch am gleichen Tag eine häusliche psychiatrische Krankenpflege. Sie unterstützte P. täglich bei der Medikamenteneinnahme und etablierte mit ihm eine Tagesstruktur. Klaus P. stabilisierte sich deutlich. Eine vom Praxisnetz zusätzlich organisierte Soziotherapie ermöglichte es ihm auch, wieder soziale Kontakte aufzunehmen. Er konnte eine stationäre Reha antreten und begann danach mit reduzierter Stundenzahl wieder zu arbeiten. Klinikaufenthalte waren nicht mehr nötig und Klaus P. blieb bis auf eine leichtere depressive Phase von drei Wochen langjährig arbeitsfähig.

Viele Patienten bleiben nach Klinikaufenthalt unversorgt

Von diesem Fall berichtet der PIBB-Vorsitzende Berliner Psychiater und Neurologe Dr. Norbert Mönter. „Bekanntlich kommen etwa 50 Prozent der Patienten, die aus einer Klinik entlassen wurden, gar nicht in der fachärztlichen Weiterbetreuung an. Das führt natürlich häufig zu Verschlechterung oder Wiederaufnahmen“, so Mönter. Das PIBB-Netz hat daher Kooperationsverträge mit mehreren Krankenhäusern abgeschlossen. Auch die Krankenhäuser schätzen die Zusammenarbeit mit dem Netz bei der Weiterbehandlung.

Zum PIBB-Netz gehören 44 Psychiater, einige Hausärzte, psychiatrische Krankenpflegedienste, Psychotherapeuten, Ergotherapeuten und 20 Soziotherapeuten. Es wurde als erstes Netz in Berlin von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) zertifiziert. Dieses Zertifikat bescheinigt dem Netz einen hohen Organisationsgrad. PIBB versorgt im Rahmen von Spezialverträgen mit der AOK Nordost, der DAK Gesundheit und der BKK VBU derzeit mehr als 2000 psychisch erkrankte Patienten, davon allein rund 1500 im AOK-Netzvertrag. „Die Kassen haben die Wichtigkeit der Koordination in der psychiatrischen Arbeit erkannt. Deshalb zahlen sie im Rahmen der Integrierten Versorgung add on für die Koordinationstätigkeit, die ja einen großen Anteil unserer Patientenversorgung ausmacht“, so Mönter.

Berliner Netzversorgung bundesweit vorbildlich

Die AOK Nordost bestätigt positive Effekte der Netzversorgung. „Erste Erfahrungen weisen darauf hin, dass es durch die intensive häusliche Betreuung der Versicherten durch spezialisierte Pflegekräfte und Soziotherapeuten gelingt, auch schwer psychisch kranke Patienten länger als bisher ambulant statt stationär behandeln zu können“, so Harald Möhlmann, Geschäftsführer Versorgungsmanagement der AOK Nordost.

Das PIBB-Netz gilt bundesweit als Vorbild. Denn es ist bislang das einzige psychiatrische Netz mit KV-Zertifizierung in ganz Deutschland. Der Spitzenverband ZNS der ärztlichen Berufsverbände für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie betrachtet das Netz als wegweisend. „Es ist jetzt an der Zeit, die Erfahrungen aus Einzelvorhaben wie dem Berliner Praxisnetz zu nutzen und flächendeckend regional abgestimmte Behandlungspfade aufzubauen“, fordert der ZNS-Vorsitzende Dr. Frank Bergmann.

Foto: Osterland - fotolia

Hauptkategorie: Berlin
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