Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt
Logo Gesundheitsstadt Berlin
Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt

Neuroborreliose nicht dauerhaft mit Antibiotika behandeln

Freitag, 30. September 2016 – Autor:
Patienten mit Neuroborreliose erhalten oft eine Langzeittherapie mit Antibiotika. Eine neue Übersichtsarbeit zeigt jedoch, dass zwei bis drei Wochen ausreichend sind.
Experten empfehlen Kurzzeittherapie: Eine klinisch abgesicherte Neuroborreliose spricht gut auf das Antibiotikum Doxycyclin an

Experten empfehlen Kurzzeittherapie: Eine klinisch abgesicherte Neuroborreliose spricht gut auf das Antibiotikum Doxycyclin an – Foto: boygostockphoto - Fotolia

Patienten mit liquordiagnostisch gesicherter Neuroborreliose haben oft einen guten Langzeitverlauf. Darum ist eine Langzeittherapie mit Antibiotika nicht indiziert. Vielmehr reicht ein zwei- bis dreiwöchige Antibiotikatherapie aus. Zu diesem Ergebnis kommt ein systematisches Review der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) in Zusammenarbeit mit dem deutschen Cochrane‐Institut. Die Ergebnisse wurden letzte Woche auf der 89. Jahrestagung der DGN in Mannheim vorstellt. „Eine längere oder intensivere Antibiotikatherapie bringt keinen Zusatznutzen, sondern setzt die Patienten aufgrund der Nebenwirkungen einem unnötigen Risiko aus“, sagte Neuroborreliose‐Spezialist Prof. Sebastian Rauer vom Universitätsklinikum Freiburg.

Die Ergebnisse der Studie stützen die bisherigen Empfehlungen, wonach bei Neuroborreliose eine kurze Antibiotikatherapie ausreichend ist. „Es ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die von manchen Kollegen durchgeführte Langzeittherapie oder die Kombination von Antibiotika für die Patienten einen Vorteil bringt“, erklärte Rauer.

Studie bestätigt die Gabe von Doxycyclin

Außerdem bestätigt die Auswertung, dass zur Behandlung der frühen Neuroborreliose das Antibiotikum Doxycyclin gleichermaßen wirksam und verträglich ist wie die intravenös zu verabreichenden Betalaktam‐Antibiotika. Der Vorteil von Doxycyclin ist, dass es in Tablettenform verabreicht werden kann. Nicht geklärt werden konnte, ob Doxycyclin auch bei der seltenen späten Neuroborreliose ausreichend ist. Da diese in weniger als zwei Prozent aller Neuroborreliose‐Fälle vorliegt, waren die Fallzahlen für eine abschließende Beurteilung zu gering.

Neuroborreliose häufig fehl diagnostiziert

In der Übersichstarbeit wurden Therapie‐ und Verlaufsstudien zur Neuroborreliose mit insgesamt 1.311 Patienten systematisch ausgewertet. Dabei zeigte sich, dass Patienten mit einer liquordiagnostisch gesicherten Neuroborreliose überwiegend gutartige Krankheitsverläufe aufwiesen. Dagegen fanden sich deutlich häufiger ungünstige Verläufe mit unspezifischen Beschwerden bei Patienten, bei denen die Diagnose einer Neuroborreliose lediglich vermutet und nicht durch eine Liquoruntersuchung bestätigt wurde. Chronische Beschwerden wie Fatigue, Neurasthenie, Konzentrationsstörungen, Fibromyalgie sowie weitere unspezifische Symptome werden häufig auf eine vermeintliche chronische Borrelieninfektion zurückgeführt. „Wir können davon ausgehen, dass bei letzteren Patienten oftmals keine Neuroborreliose, sondern eine andere Erkrankung, die nicht auf Antibiotika anspricht, zugrunde liegt“, sagte Rauer.

Neue Borreliose-Leitlinie erscheint 2017

Derzeit liegt zur Neuroborreliose eine S1‐Leitlinie vor. Eine S3‐Leitlinie ist in Arbeit und soll Anfang 2017 erscheinen. In die neue Leitlinie fließen auch Erkenntnisse aus der in Mannheim vorgestellten Übersichtsarbeit ein.

Foto: © boygostockphoto - Fotolia.com

Hauptkategorien: Medizin , Gesundheitspolitik
Lesen Sie weitere Nachrichten zu diesen Themen: Borreliose , Antibiotika

Weitere Nachrichten zum Thema Borreliose

24.03.2018

Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) darf ihre medizinische Leitlinie Neuroborreliose veröffentlichen. So urteilte das Landgericht Berlin. Vorangegangen war ein juristischer Streit mit zwei Borreliose-Organsationen.

Aktuelle Nachrichten

Mehr zum Thema
Warum Zecken mittlerweile auch in unseren Gärten zu finden sind, wie man sich vor ihnen schützen kann und ob eine Impfung sinnvoll ist, erklärt die Parasitologin Prof. Ute Mackenstedt im Interview mit Gesundheitsstadt Berlin.
Weitere Nachrichten
Die Langzeitfolgen der Corona-Pandemie machen Beschäftigten in Gesundheitsberufen besonders zu schaffen. Das zeigt eine Analyse der AOK-Nordost für Berlin. Eine Berufsgruppe ist sogar doppelt so oft betroffen wie der Durchschnitt der Versicherten.

Die Charité hat am Montag eine stadtweite Kampagne gestartet, um neue Mitarbeitende zu gewinnen. Besonders Pflegekräfte werden umworben, aber auch in Forschung, Lehre und Verwaltung sucht die Universitätsmedizin Verstärkung.

Trotz internationaler Transparenzregeln werden viele klinische Studien nicht veröffentlicht. Wichtige Ergebnisse bleiben somit verborgen. Dem setzt das Berlin Institute of Health (BIH) der Charité nun mit einem öffentlich einsehbaren Dashboard etwas entgegen.
Interviews
Einen ambulanten Pflegedienst in Berlin zu finden, ist schwierig geworden. Personalmangel ist das Hauptproblem. Dabei gäbe es relativ einfache Lösungen, sagt Thomas Meißner vom AnbieterVerband qualitätsorientierter Gesundheitspflegeeinrichtungen (AVG). Im Gespräch mit Gesundheitsstadt Berlin verrät der Pflegeexperte und Chef eines häuslichen Krankenpflegedienstes, wie man Menschen in den Pflegeberuf locken könnte und warum seine Branche noch ganz andere Sorgen hat als die Personalfrage.

Affenpocken verlaufen in der Regel harmlos. Doch nicht immer. Dr. Hartmut Stocker, Chefarzt der Klinik für Infektiologie am St. Joseph Krankenhaus in Berlin Tempelhof, über die häufigsten Komplikationen, die Schutzwirkung der Impfung und den Nutzen von Kondomen.

Zöliakie kann in jedem Lebensalter auftreten und ein buntes Bild an Beschwerden machen. Bislang ist das wirksamste Gegenmittel eine glutenfreie Ernährung. Gesundheitsstadt Berlin hat mit PD Dr. Michael Schumann über die Auslöser und Folgen der Autoimmunerkrankung gesprochen. Der Gastroenterologe von der Charité hat an der aktuellen S2K-Leitinie „Zöliakie“ mitgewirkt und weiß, wodurch sich die Zöliakie von anderen Glutenunverträglichkeiten unterscheidet.
Logo Gesundheitsstadt Berlin