Hodenkrebs ist die häufigste bösartige Tumorerkrankung bei Männern zwischen 20 und 40 Jahren. In der Regel lässt er sich gut therapieren. In einigen Fällen spricht das Karzinom jedoch kaum oder gar nicht auf die Behandlung an.
Hoffnung macht in diesen Fällen nun eine Substanz, die ursprünglich als Verhütungsmittel entwickelt wurde. Der Wirkstoff JQ1 unterbindet die Reifung der Spermien. Man dachte daher, er könne als eine Art Pille für den Mann zum Einsatz kommen. Nun zeigte sich: In Mäusen tötet die Substanz entartete Zellen ab und lässt Hodentumoren schrumpfen.
JQ1 verändert Genaktivität der Krebszelle
JQ1 gehört zu einer Klasse von Wirkstoffen, die beeinflussen, welche Gene in der Zelle abgelesen werden und welche nicht. Die Erbsubstanz DNA ähnelt einem langen Morsestreifen, auf dem die Bauanleitungen der Zellmoleküle stehen. Damit dieser Morsestreifen in die Zellkerne passt, ist er in regelmäßigen Abständen um kleine Proteinbälle gewickelt – die Histone.
Die Histone wiederum sind mit chemischen Etiketten versehen – sogenannten Methyl- oder Acetylgruppen. Diese Etiketten signalisieren der Synthesemaschinerie in der Zelle, ob der Morsestreifen an dieser Stelle abgelesen werden soll oder nicht. „JQ1 inhibiert jene Proteine, die diese Histon-Markierungen ablesen und verändert so die Genaktivität in der Zelle“, erklärt Prof. Hubert Schorle vom Institut für Pathologie der Universität Bonn.
Hodenkrebs: Neuer Wirkstoff JQ1 lässt Tumoren schrumpfen
Die Krebszellen reagieren auf diese Änderungen sehr empfindlich: Sie aktivieren eine Art Selbstmord-Programm, die Apoptose. „In einem Hodenkrebs-Mausmodell begannen die Tumoren nach JQ1-Gabe zu schrumpfen“, erklärt Studie-Autorin Sina Jostes. „Gesunde Hautzellen scheinen dagegen JQ1 sehr gut zu tolerieren.“
Neben JQ1 sind auch Wirkstoffe bekannt, die direkt die Markierung der Histone verändern. Einer davon ist Romidepsin. Die Bonner Arbeitsgruppe konnte kürzlich nachweisen, dass auch Romidepsin Hodenkrebszellen effektiv bekämpft. Anders als JQ1 ist die Substanz bereits zur Behandlung von Patienten mit bestimmten Krebserkrankungen zugelassen.
Kombinationsbehandlung mit Romidepsin
"Wir haben in unserer Studie Mäuse sowohl mit JQ1 als auch mit Romidepsin behandelt“, erläutert Jostes Kollege Dr. Daniel Nettersheim. „Dadurch konnten wir mit relativ geringen Mengen beider Substanzen eine ähnliche Wirkung erreichen, wie mit JQ1 oder Romidepsin allein. Eine solche Kombinationstherapie zur Behandlung von Hodentumoren wäre womöglich deutlich besser verträglich. Auch Chemotherapie-resistente Patienten könnten davon profitieren.“
Ob sich diese Hoffnung bewahrheitet, muss sich allerdings noch in klinischen Studien zeigen. Die Untersuchung erschien im Fachmagazin Journal of Cellular and Molecular Medicine.
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