Neue Ursache für Depressionen gefunden
Aktuelle leiden etwa vier Millionen Menschen in Deutschland leiden an einer Depression. Fast jeder zehnte Deutsche erleidet mindestens einmal im Leben eine depressive Episode. Was währenddessen im Gehirn passiert, ist bislang nicht ausreichend verstanden. Forscher des Universitätsklinikums Freiburg sind nun einer möglichen Ursache auf die Schliche gekommen. In einer Studie mit 27 gesunden und depressiven Menschen konnten sie messbare Unterschiede bei einer bestimmten Hirnaktivität, der sogenannten „synaptischen Plastizität“ aufzeigen.
Hirnaktivität während depressiver Episoden messbar gemindert
Unter synaptische Plastizität versteht man eine Neuvernetzung der Nervenzellen, die notwendig ist, damit sich das Gehirn an neue Reize anpassen kann. Sie ist die Grundlage von Lernen, Gedächtnisbildung und die Anpassungsfähigkeit an Umweltreize. Mit einem Reiz-Reaktions-Verfahren (Magnetstimulation) lässt sie sich relativ zuverlässig messen. Den etablierten Versuchsaufbau nutzen auch die Freiburger Wissenschaftler in ihrer Studie.
Tatsächlich wiesen die depressiven Probanden eine geminderte synaptische Plastizität auf – verglichen mit den gesunden Teilnehmern. Interessant: Wurden die Versuche wiederholt, nachdem die depressive Episode vorüber war, konnten diese Minderung nicht mehr nachgewiesen werden, die synaptische Plastizität war wieder normal.
Die Forscher gehen deshalb davon aus, dass es sich bei der verminderten synaptischen Plastizität um eine Ursache der Depression handelt und nicht nur um eine Folge. „Wir haben eine messbare Veränderung im Gehirn gefunden, die zeitlich mit dem klinischen Zustand übereinstimmt“, sagt Prof. Christoph Nissen, Psychiater am Universitätsklinikum Freiburg. „Synaptische Plastizität ist ein grundlegender Prozess im Gehirn. Veränderungen könnten einen Großteil der Symptome einer Depression erklären“, ist er überzeugt. Zudem sprächen vorangegangene Untersuchungen an Tiermodellen und auch weitere Indizien beim Menschen sprechen für eine ursächliche Rolle.
Hoffnung auf neues Diagnostikverfahren
Mit 27 Teilnehmern war die Studie allerdings sehr klein. Weitere Studien müssen das Ergebnis nun erhärten. Möglicherweise könnte die Messung der synaptischen Plastizität dann zur Diagnosestellung oder Therapiekontrolle dienen, hoffen die Forscher. „Die Patienten sind schwer betroffen und oft extrem verunsichert. Da wäre es eine große Hilfe, wenn wir objektive Messverfahren entwickeln, die zur Diagnosestellung und zur Behandlungsplanung beitragen könnten“, sagt Nissen. Darüber hinaus könnte die vorliegende Forschungslinie die Entwicklung neuer Therapieverfahren begünstigen, die die synaptische Plastizität noch direkter als bisher beeinflussen. Bislang weiß man, dass zum Beispiel Sport eine positive Wirkung auf die synaptische Plastizität hat.
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