Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt
Logo Gesundheitsstadt Berlin
Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt

Neue Erkenntnisse zu alten Antipsychotika bei Schizophrenie

Dienstag, 29. November 2016 – Autor:
Antipsychotika der ersten Generation sind möglicherweise besser als ihr Ruf. Das zeigen vergleichende Tests der Uni Bochum. Der Fund sei von großer klinischer Bedeutung für die Behandlung der Schizophrenie, berichten die Forscher im Fachblatt Neuroscience.
Vergleichende Studie zu alten und neuen Antipsychotika: Überraschend ähnliche Eigenschaften

Vergleichende Studie zu alten und neuen Antipsychotika: Überraschend ähnliche Eigenschaften – Foto: vege - Fotolia

Wirkstoffe wie Haloperidol und Flupentixol gehören zur ersten Generation der Antipsychotika, auch Neuroleptika genannt. Seit den 1960er Jahren werden sie zur Behandlung der Schizophrenie eingesetzt. Doch wegen oft starker Nebenwirkungen verschreiben heute immer mehr Psychiatrier Medikamente der zweiten Generation.

Wissenschaftler der Ruhr-Universität Bochum halten bestimmte klassische Antipsychotika jedoch für ebenso tauglich wie die neuen: Vergleichende Tests an Rattengehirnen hatten gezeigt, dass Flupentixol ähnliche neuroplastische Eigenschaften besitzt wie Olanzapin aus der zweiten Generation. Der alte Wirkstoff regt laut den Forschern die Bildung neuer Synapsen genauso gut an wie der neue. „Solche Verbindungen zwischen Nervenzellen anzukurbeln, ist eine wichtige Aufgabe von Antipsychotika, weil sie bei psychiatrischen Erkrankungen häufig vermindert sind“, erklärt dazu Psychiater Prof. Georg Juckel.

Bildung neuer Synapsen angeregt

In der Studie wurde der Einfluss der Wirkstoffe Haloperidol und Flupentixol aus der ersten Generation mit Olanzapin aus der zweiten Generation auf Netzwerke von Hirnnervenzellen der Ratten verglichen. Die Untersuchung erfolgte an einem Modell mit kultivierten Nervenzellen und Astrozyten. Letztere nähren die Nervenzellen und beeinflussen die Bildung von Synapsen. Über diese Kontaktstellen zwischen den Nervenzellen werden Signale transportiert.

Die Untersuchung zeigte zunächst, dass keines der getesteten Medikamente die Zelltodrate erhöhte. Unterschiede fand Neurobiologin Christine Gottschling jedoch bei der Anzahl struktureller Synapsen: „Während die Behandlung der Nervenzellen mit Haloperidol zu einer verringerten Synapsenanzahl nach 22 Tagen führte, zeigte sich bei Behandlung der Zellen mit Olanzapin und Flupentixol eine signifikante Erhöhung der Synapsenanzahl im Vergleich zu unbehandelten Kontrollen“, erläutert Gottschling die Ergebnisse.

Dieser Unterschied zeigte sich auch bei der anschließende elektrophysiologischen Messung der Spontanaktivität der neuronalen Netzwerke: Die Behandlung mit Olanzapin und Flupentixol führte zu einer erhöhten Spontanaktivität, während diese bei den mit Haloperidol behandelten Nervenzellen deutlich vermindert war.

Behandlung überdenken

Die Ergebnisse seien in der Tat überraschend gewesen und zeigten, dass die alten Medikamente differenzierter betrachtet werden müssten, schreiben die Forscher im Fachmagazin „Neuroscience“. „Die bisherige generelle Abwertung von Wirkstoffen der ersten Generation ist hinfällig. Eine Substanz wie Flupentixol mit seinen offenkundigen neuroplastischen Eigenschaften kann und sollte auch noch heute stärker in der Behandlung von langfristig an Schizophrenie leidenden Patienten eingesetzt werden“, so ihr Fazit.  

Foto: © vege - Fotolia.com

Hauptkategorien: Gesundheitspolitik , Medizin
Lesen Sie weitere Nachrichten zu diesen Themen: Schizophrenie , Psychopharmaka

Weitere Nachrichten zum Thema Psychosen

Zur Behandlung von Patienten mit Schizophrenie setzen Psychiater in Deutschland setzen zunehmend auf neue Antipsychotika. Ob sie besser sind als herkömmliche Medikamente war bisher nicht erforscht. Nun belegt eine Studie des Universitätsklinikums Bremen, dass die neuen Wirkstoffe den alten tatsächlich überlegen sind.

Aktuelle Nachrichten

Weitere Nachrichten
Die Langzeitfolgen der Corona-Pandemie machen Beschäftigten in Gesundheitsberufen besonders zu schaffen. Das zeigt eine Analyse der AOK-Nordost für Berlin. Eine Berufsgruppe ist sogar doppelt so oft betroffen wie der Durchschnitt der Versicherten.

Die Charité hat am Montag eine stadtweite Kampagne gestartet, um neue Mitarbeitende zu gewinnen. Besonders Pflegekräfte werden umworben, aber auch in Forschung, Lehre und Verwaltung sucht die Universitätsmedizin Verstärkung.

Trotz internationaler Transparenzregeln werden viele klinische Studien nicht veröffentlicht. Wichtige Ergebnisse bleiben somit verborgen. Dem setzt das Berlin Institute of Health (BIH) der Charité nun mit einem öffentlich einsehbaren Dashboard etwas entgegen.
Kliniken
Interviews
Einen ambulanten Pflegedienst in Berlin zu finden, ist schwierig geworden. Personalmangel ist das Hauptproblem. Dabei gäbe es relativ einfache Lösungen, sagt Thomas Meißner vom AnbieterVerband qualitätsorientierter Gesundheitspflegeeinrichtungen (AVG). Im Gespräch mit Gesundheitsstadt Berlin verrät der Pflegeexperte und Chef eines häuslichen Krankenpflegedienstes, wie man Menschen in den Pflegeberuf locken könnte und warum seine Branche noch ganz andere Sorgen hat als die Personalfrage.

Affenpocken verlaufen in der Regel harmlos. Doch nicht immer. Dr. Hartmut Stocker, Chefarzt der Klinik für Infektiologie am St. Joseph Krankenhaus in Berlin Tempelhof, über die häufigsten Komplikationen, die Schutzwirkung der Impfung und den Nutzen von Kondomen.

Zöliakie kann in jedem Lebensalter auftreten und ein buntes Bild an Beschwerden machen. Bislang ist das wirksamste Gegenmittel eine glutenfreie Ernährung. Gesundheitsstadt Berlin hat mit PD Dr. Michael Schumann über die Auslöser und Folgen der Autoimmunerkrankung gesprochen. Der Gastroenterologe von der Charité hat an der aktuellen S2K-Leitinie „Zöliakie“ mitgewirkt und weiß, wodurch sich die Zöliakie von anderen Glutenunverträglichkeiten unterscheidet.
Logo Gesundheitsstadt Berlin