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Nach MS-Diagnose beginnt Therapie oft zu spät

Mittwoch, 13. April 2016 – Autor:
Nach der Diagnose einer MS wird die Therapie oft zu spät begonnen und zum Teil unzureichend durchgeführt. Zu dem Schluss kommt das neue „Weißbuch Multiple Sklerose - Versorgungssituation in Deutschland“.
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Nach der MS-Diagnose beginnt die Therapie oft zu spät – Foto: Coloures-pic - Fotolia

Dabei kann gerade bei MS eine frühe Therapie ausschlaggebend für den weiteren Verlauf sein, heißt es in dem vom Institut für Gesundheits- und Sozialforschung (IGES) herausgegebenen Weißbuch. Patienten sollten nach einem ersten Schub zeitnah mit so genannten verlaufsmodifizierenden Medikamenten behandelt werden.

Ziel ist es, Krankheitsaktivität zu verhindern. Anzeichen sind die Schubhäufigkeit, voranschreitende Behinderung, neuropsychologische Symptome wie die Fatigue sowie weitere Nervenschädigungen. Aber nur gut jeder zweite Patient mit Erstdiagnose erhält im gleichen Jahr auch eine verlaufsmodfizierende Therapie, wie Studien mit Daten aus dem Jahr 2009 zeigen.

MS: Therapie hängt vom Wohnort ab

Obendrein ist die Versorgung regional unterschiedlich: So suchten in Brandenburg, wo 4,4 Fachärzte auf 100.000 Einwohner kommen, nur 37 Prozent der Betroffenen innerhalb von sechs Wochen nach der Erstdiagnose einen Facharzt für die Weiterbehandlung auf. In Hamburg hingegen waren dies mit 11 Fachärzten pro 100.000 Einwohner 64 Prozent.

Zudem müssen in Regionen mit vielen ambulant tätigen Fachärzten weniger Patienten mit MS stationär behandelt werden, im Vergleich zu Regionen mit niedriger ambulanter Facharztdichte, das zeigen Krankenkassendaten.

MS: Therapieabbrüche gefährden Behandlungserfolg

In den letzten Jahren hat sich das therapeutische Spektrum durch fünf neue Präparate erweitert. „Der Verbrauch neuer MS-Medikamente hat kontinuierlich zugenommen, was auf eine gute Verfügbarkeit der therapeutischen Optionen hindeutet“, sagt Hans-Holger Bleß, Leiter des Bereichs Versorgungsforschung am IGES. „Studien weisen aber darauf hin, dass noch mehr Patienten von einer an die Krankheitsaktivität angepassten Therapie entsprechend den aktuellen Leitlinien profitieren können.“

Barrieren stellen auch Therapieabbrüche dar. MS-Medikamente greifen in das Immunsystem ein und müssen oft lebenslang eingenommen werden. Studien zufolge nimmt nur gut jeder Dritte mit MS über einen Zeitraum von zwei Jahren verlaufsmodifizierende Medikamente kontinuierlich ein. Als Abbruchgründe nennen Patienten Nebenwirkungen und vermutete oder tatsächliche Unwirksamkeit der Therapie. Zudem führen sie die MS-typischen neuropsychologischen Symptome wie Depressionen oder die Fatigue an. Fatigue ist ein Gefühl starker geistiger und körperlicher Erschöpfung, das die Betroffenen sehr belastet. Sie stellt eines der häufigsten MS-Symptome dar.

MS: Bessere Therapie für Fatigue gefordert

„Neuropsychologische Symptome und Fatigue gelten immer mehr als Schlüssel im Umgang mit der Multiplen Sklerose, für die wir dringend Standards in Diagnostik und Therapie im Versorgungsalltag und mehr Behandlungsangebote benötigen“, sagt der Vorsitzende des Berufsverbandes Deutscher Neurologen (BDN), Dr. Uwe Meier.

Gerade in diesem Bereich konstatiert das Weißbuch Defizite. Nach Auswertungen der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) erfolgten zwischen 2005 und 2006 bei jeweils rund 80 Prozent der MS-Patienten mit kognitiven Störungen wie Gedächtnis- oder Konzentrationsstörungen oder Fatigue keine Therapie.

MS: Defizite bei Behandlung von Spastiken

Verbesserungsbedarf besteht aus Sicht der Patienten zudem bei der Behandlung der für MS typischen Muskelversteifungen (Spastiken). Therapie der Wahl ist die Physiotherapie, wenn nötig ergänzende Medikamente. Allerdings fehlen derzeit wirksame und langfristig einzunehmende Arzneimittel. DMSG-Daten zufolge erhält jeder dritte MS-Patient keine Therapie der Spastik.

86 Prozent der MS-Patienten fühlen sich zudem laut Umfragen unzureichend über die ebenfalls bei MS auftretenden Einschränkungen der Sexualität informiert. Jede zweite der betroffenen Frau wünscht sich dazu auch Paargespräche bei ihrem Arzt.

MS manifestiert sich vor allem zwischen 20. und 40. Lebensjahr

MS ist mit bis zu 200.000 Betroffenen in Deutschland die häufigste chronisch entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems junger Menschen. Die Entzündungen schädigen die Nervenfasern, was zu schwerwiegenden neurologischen Ausfallerscheinungen und Behinderungen führen kann. MS manifestiert sich vor allem bei Frauen zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr. Bei mehr als 85 Prozent der Patienten verläuft die MS in Schüben. MS ist unheilbar. Die genauen Ursachen sind noch immer nicht vollständig geklärt.

Foto: Coloures-pic

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