Medikation älterer Menschen ein ungelöstes Problem
Bis zu zehn Medikamente am Tag sind keine Seltenheit bei älteren Menschen. In den Pillenböxchen befinden sich jedoch oft die falschen Arzneimittel. Folgen einer falschen Medikation sind Stürze, eine beeinträchtigte Lebensqualität und mehr Krankenhausaufenthalte. Die Hoffnung, dass spezielle Schulungen von Hausärzten daran etwas ändern könnte hat sich jedoch zerschlagen. Mit der RIME-Studie („Reduction of potentially Inappropriate Medication in the Elderly”) wollten Wissenschaftler herausfinden, wie sich eine inadäquate Medikation bei noch selbstständig lebenden Senioren in hausärztlicher Behandlung reduzieren lässt. Drei Jahre haben sieben Wissenschaftler mit Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) daran geforscht. Nun meldet die Deutsche Gesellschaft Geriatrie ein enttäuschendes Ergebnis: „Noch wissen wir nicht, wie wir das Problem der potenziell inadäquaten Medikation am besten in den Griff bekommen“, sagt Studienkoordinator PD Dr. Ulrich Thiem, Chefarzt der Klinik für Geriatrie im Geriatrie-Zentrum Haus Berge in Essen.
Schulung von Hausärzten bringt wenig
An der Studie nahmen 138 Hausärzte und 1.138 Patienten im Durchschnittsalter von 77,5 Jahren teil. Die Bestandsaufnahme zu Beginn der Untersuchung zeigte, dass im Schnitt 40 Prozent der Patienten pro Praxis ein Medikament einnahmen, das als potenziell inadäquat zu werten ist. Zu diesen Präparaten gehörten Herzmittel wie Digitalis, Doxazosin und Flecainid sowie Antidepressiva wie Amitriptylin und Doxepin.
Daraufhin bekam die Hälfte der Hausärzte lediglich ein Fortbildungsangebot zu allgemeinen Themen der Arzneimitteltherapie bei Älteren angeboten. Der anderen Häfte (Interventionsgruppe) wurde ein gezieltes Fortbildungsangebot mit einer modifizierten PRISCUS-Liste gemacht. PRISCUS ist eine Negativliste an Medikamenten, die älteren Menschen nicht verschrieben werden sollten. Darüber hinaus wollten die Forscher herausfinden, ob die Schulung des gesamten Praxisteams effektiver ist, als wenn nur der Hausarzt informiert wird. Begleitend wurde den Ärzten der Interventionsgruppe auch Besuche von speziell geschulten Hausarztkollegen zur Fallbesprechung sowie eine Telefon-Hotline für Fragen angeboten.
Stärkere Intervention nötig
Doch ein Jahr später zeigte sich praktisch kein Unterschied zwischen den beiden Gruppen. Bei der Interventionsgruppe fanden die Wissenschaftler lediglich 2,3 Prozent weniger inadäquate Medikamente als in der Hausarztgruppe mit allgemeiner Schulung. Statistisch ist das nicht signifikant: „In der Studienplanung sind wir von 9 Prozent ausgegangen“, sagt Thiem. Auch bei typischen Folgen wie Stürzen, Krankenhausaufenthalten oder beeinträchtigter Lebensqualität unterschieden sich die beiden Gruppen nicht. Geriater Thiem glaubt, dass die Intervention in der RIME-Studie möglicherweise zu schwach war. „Folgestudien sollten also unbedingt intensiver intervenieren. Und auch weitere Interventionswege sind zu prüfen!“, so Thiem.
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