Laumann: „Erwarten Sie keine Wunderdinge vom neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff”

Karl-Josef Laumann auf dem Hauptstadtkongress 2014
„Wir brauchen keine neue Debatte über den Pflegebedürftigkeitsbegriff“, machte der Pflegebevollmächtigte und Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, Karl-Josef Laumann, auf dem Hauptstadtkongress 2014 deutlich. Die Politik wolle ihn umsetzen, „aber so, dass es nachher in der Praxis auch funktioniert“.
Künftig soll vor allem der Grad der Selbstständigkeit im Mittelpunkt der Beurteilung der Pflegebedürftigkeit stehen. Profitieren sollen hiervon vor allem die an Demenz erkrankten Pflegebedürftigen. Geplant ist die Umsetzung der neuen fünf Pflegegrade im Jahr 2017.
Wie viel Euro dann an Pflegeversicherungsleistungen hinter den neuen Pflegegraden stehe, wisse derzeit noch niemand, sagte der Staatsekretär weiter. Zur Klärung dieser Frage laufe aktuell eine Studie. Zugleich warnte Laumann davor, im neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff den „heiligen Sakral“ zu sehen und von ihm „Wunderdinge“ zu erwarten. Nicht automatisch werde es beispielsweise in der stationären Pflege mehr Personal geben. „Nach der Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffes werden die gleichen Mitarbeiter da sein, wie davor“, sagte er.
Meisten Personalschlüssel sind so alt wie die Pflegeversicherung selbst
Laumann stört dies gewaltig, sieht er doch, dass die meisten Personalschlüssel in der stationären Pflege „so alt wie die Pflegeversicherung selbst sind“. Und dies bei einem heute ganz anderen Pflegebedarf „als wir ihn vor 20 Jahren hatten“. Die schlechte Personalausstattung sei einer der Faktoren, “warum die Mitarbeiter mit ihrer Arbeit nicht mehr klar kommen und die Stimmung schlecht ist“. Gefordert hier für Änderungen zu sorgen seien die Pflegekassen, die Sozialhilfeträger und die Leistungserbringerverbände als gemeinsame Verhandlungspartner. Für die Umsetzung des neuen Pflegbedürftigkeitsbegriffes kalkuliert Laumann pro Jahr mit rund 2 bis 2,5 Mrd. Euro.
Neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff ist für 90 % der Pflegebedürftigen ein Gewinn
Für Dr. Peter Pick, Geschäftsführer des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS), führt der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff zu einer höheren Transparenz der Pflege und beende das „Geschacher um die Einstufung“. Pick geht davon aus, dass rund 90 Prozent aller Pflegebedürftigen nach Einführung des neuen Begriffs künftig gleich oder sogar besser gestellt werden als bisher.
Die Antwort darauf, ob der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff für die Pflege ein „Heilsbringer“ sei, hängt für Bernd Tews, Geschäftsführer des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste e. V. (bpa), im Wesentlichen von zwei Punkten ab. Erstens, ob es mehr Leistungen für die Pflegebedürftigen gibt. Und zweitens, ob es mehr Mitarbeiter für die Pflege gibt.
Dr. Elisabeth Fix vom Deutschen Caritasverband verspricht sich vom neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff die Aktivierung des bisher in der Pflege weitestgehend brach liegenden Präventions- und Rehabilitationspotenzial. Denn „der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff lenkt den Blick darauf, was ein pflegebedürftiger Mensch noch kann und wie seine Selbstständigkeit erhalten oder wieder hergestellt werden kann“, betont Fix auf dem Hauptstadtkongress 2014.
Durch den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff, so die Expertin des Caritasverbandes, werde die Attraktivität des Berufsbildes gesteigert und die Zufriedenheit der Berufsangehörigen und der pflegebedürftigen Menschen gefördert. Zwanzig Jahre nach Einführung der Pflegeversicherung sei es an der Zeit, die bestehenden Ungleichbehandlungen von somatisch und kognitiv beeinträchtigten Personen zu beseitigen, macht Fix deutlich.
Foto: WISO-Gruppe