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Krankmacher lauern in der Verpackung

Montag, 3. Juni 2013 – Autor:
Sie stecken in Verpackungen, Nahrung und Kosmetika: Rund 800 chemische Substanzen aus dem Alltag greifen in das Hormonsystem ein und können schwere Stoffwechselstörungen verursachen. Wissenschaftler warnen jetzt vor den so genannten „Endokrinen Disruptoren“.
Krankmacher lauern in der Verpackung Endokrine Disruptoren

Schluck aus der Plastikflasche: Die schädliche Wirkung addiert sich

Soeben hat die Stiftung Warentest krankmachende Keime in Salatpackungen festgestellt und dazu geraten, auf „Verpacktes“ möglichst zu verzichten. Ein Rat, den auch die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) erteilt. Denn in Plastik verpackte Lebensmittel sind nicht nur anfällig für Keime und Schimmelpilze, sie nehmen auch Schadstoffe aus der Verpackung auf, die Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes mellitus oder Schilddrüsenerkrankungen verursachen können. Auslöser sind chemische Substanzen wie etwa Weichmacher oder Bisphenol A, das beispielsweise für die Innenbeschichtung von Konservendosen verwendet wird. Wissenschaftler nennen sie „Endokrine Disruptoren“. Mindestens 800 chemische Substanzen aus dem Alltag gehören dazu. Neben Lebensmitteln seien auch Kosmetikprodukte mit endokrinen Disruptoren belastet, warnt jetzt die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE).

Endokrine Disruptoren auch an hormonabhängigen Krebserkrankungen beteiligt

Wie schädlich diese Substanzen für den Menschen sind, erläutert DGE-Sprecher Professor Dr. Dr. Helmut Schatz: „Endokrine Disruptoren beeinflussen das Gleichgewicht des Hormonsystems und den Stoffwechsel, die Fettspeicherung und die Entwicklung der Knochen und des Immunsystems. Manche von ihnen wirken wie Hormone und binden im Körper an einen Hormonrezeptor. Andere blockieren einen Hormonrezeptor und verhindern so, dass körpereigene Hormone andocken und wirksam werden können“, so der Hormonexperte aus Bochum. Wieder andere störten die Produktion oder die Umwandlung körpereigener Hormone, wobei entsprechend die Hormonspiegel im Blut steigen oder sinken. Auch bei der Entwicklung des kindlichen Nervensystems spielen sie vermutlich eine große Rolle, meint Helmut Schatz. Die chemischen Substanzen könnten etwa auch zu Genitalmissbildungen bei Jungen führen, die Samenbildung stören oder auch das Aufmerksamkeitsdefizit/ Hyperaktivitätssyndrom (ADHS) bei Kindern fördern und bei endokrin-bezogenen Krebsformen von Prostata, Brust und Schilddrüse beteiligt sein.

Verbrauchern rät die DGE deshalb ausdrücklich, im Umgang mit diesen Materialien zurückhaltend zu sein. „Abgesehen von den stetig wachsenden Plastik-Müllbergen, die unsere Umwelt belasten, sollte man versuchen so wenig wie möglich `Verpacktes´ zu kaufen“, rät Professor Schatz. Das heißt: So wenig Fertigkost wie möglich verzehren, auf in Plastik Verpacktes verzichten, statt Konserven besser frisches Gemüse vom Markt kaufen und Getränke aus Plastikflaschen oder Verbundpackungen meiden.

Wissenschaftler fordern per „Berlaymont Declaration“ die EU zum Handeln auf

Angesichts der Gefahren, die von endokrinen Disruptoren ausgehen, haben 89 führende Wissenschaftler aus Europa nun in einer Deklaration an die Europäische Union ihre Forderungen zum Umgang mit Endokrinen Disruptoren formuliert. In der Berlaymont Declaration vom 24. Mai 2013 bemängeln die internationalen Forscher, dass für eine ganze Reihe solcher verdächtiger chemischer Substanzen keine Testmethoden zur Verfügung stünden. Außerdem würden bei den testbaren Substanzen die derzeit effektivsten Methoden nicht angewendet. Besonders besorgniserregend sei in den aktuellen Regularien die Einschätzung, dass niedrige Belastungsmengen mit diesen Stoffen ungefährlich seien. „Eine große Zahl der Endokrinen Disruptoren beginnt schon bei kleiner Dosis zu wirken“, erläutert Professor Schatz. Es bestehe nämlich keine Schwellenwert, unter der die Substanzen ungefährlich sind: Ihre schädigende Wirkung addiere sich über längere Zeiträume. Die Unterzeichner der Berlaymont Declaration betonen, dass schwerwiegende und irreversible Schäden durch Endokrine Disruptoren wahrscheinlich sind, auch wenn derzeit noch nicht genügend Daten vorliegen, um das Risiko genau zu beschreiben. Sie fordern daher umfassende Forschungsprogramme.

© Andrea Arnold - Fotolia.com

Hauptkategorie: Medizin
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