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Kommunen stehen bei der Pflegeinfrastruktur in der Pflicht

Samstag, 14. Juni 2014 – Autor: Michael Schulz
„Wir müssen den Kommunen mehr Verantwortung zur Bewältigung der gewaltigen Aufgaben geben, die in der Pflege auf sie zukommen“, fordert der rheinland-pfälzische Gesundheits- und Sozialminister Alexander Schweitzer. Finanzielle Mittel aus dem Topf der Pflegeversicherung kann er dafür jedoch nicht erwarten.
Rolle der Kommunen bei der Pflege entscheidend

Kommunen müssen die regionale Pflegeinfrastruktur planen – Foto: Reimer - Pixelvario - Fotolia

Gesagt hat Schweitzer dies auf einer Veranstaltung der Bertelsmann Stiftung, des Kuratoriums Deutsche Altershilfe (KDA), des Netzwerkes Soziales neu gestalten (SONG) und des Instituts für angewandte Sozialforschung AGP in Berlin. Diskutiert wurde dabei zum Thema „So kann es weiter gehen – Neue Wege für Teilhabe und Pflege“.

Schweitzer will mehr finanzielle Ressourcen für die Kommunen, damit vorhandene Strukturen im Quartier weiterentwickelt werden können. Zudem sollen die Kommunen die Planung der regionalen Pflegeinfrastruktur übernehmen; „denn die Herausforderungen des demografischen Wandels für die Pflege können nur durch ein verstärktes Zusammenwirken von Angehörigen, Nachbarschaften, Ehrenamtlichen und professionellen Anbietern von Pflegeleistungen gemeistert werden“, betont der Sozialminister.

Sozialräumliche Pflege: Heute die Weichen für morgen stellen

Schweitzer nennt dies „sozialräumliche Pflege“ und will eine Neuausrichtung der Pflegepolitik. Sein Ziel ist es, heute die Weichen für morgen zu stellen.

Dabei werde die Rolle der Länder in der „Pflege der Zukunft“ in einer Arbeitsgruppe der Länder, die noch in diesem Sommer startet, diskutiert werden, versprach Schweitzer, und ergänzt: „Wir werden einen kompletten Switch in den Kommunen bekommen – weg von der Diskussion um die Kindergartenplätze und hin zur Pflege und damit zum anderen Ende der demografischen Skala“.

Sozialminister Schweitzer will Beitragserhöhung für die Pflegeversicherung vorziehen

„Das Thema Pflege ist entscheidend für den Zusammenhalt der Gesellschaft in den nächsten Jahrzehnten“, betont Schweitzer und findet „die Entscheidung von Bundesgesundheitsminister Gröhe erfrischend, die zweite Stufe der Pflegereform zur Einführung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs vorzuziehen. So könnte dieser zum 1. Januar 2017 Wirklichkeit werden“, sagt der Minister.

Dabei geht er jedoch einen Schritt weiter und fordert, die zweite Stufe der Beitragssatzerhöhung zur Pflegeversicherung mit ihren 0,2 Prozentpunkten bereits zu Beginn des Jahres 2016 umzusetzen. „Nur so können wir sicher sein, dass ausreichend finanzielle Ressourcen zur Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs zur Verfügung stehen. Wir brauchen das Geld zur Vorbereitung.“

„Unser Wille ist, dass der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff 2017 greift; Anfang 2016 müssen wir somit das Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen haben“, erklärt denn auch Karl-Josef Laumann als Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium und Bevollmächtigter der Bundesregierung für Pflege. Die 12 Monate Umsetzungszeit im Jahr 2016 sieht er als „ehrgeiziges Ziel“ an.

Laumann: Pflegeversicherung zahlt nicht für Strukturmaßnahmen der Kommunen

Finanzielle Mittel für die kommunale Pflegeinfrastruktur will Laumann aus dem Topf der Pflegeversicherung nicht zur Verfügung stellen. „Der Bund ist für die Pflegekosten zuständig, die Länder und Kommunen für die Pflegeinfrastruktur“, macht er deutlich. Dennoch fordert er: „Die Kommunen müssen sich um das Thema einer älter werdenden Gesellschaft viel stärker als bisher kümmern“.

Weiter mahnt er, dass „die Pflege teilweise mit Strukturen arbeitet, die 15-20 Jahre alt sind“. Als Beispiel nennt er die in den Ländern zu vereinbarenden Personalschlüssel, die „große Unterschiede aufweisen und angesichts des seitdem stark gestiegenen Pflegeaufwands nicht mehr passen“.

In der Kritik stehen bei Laumann auch das Bundesland Berlin und fünf weitere Länder, in denen man noch Schulgeld für die Altenpflegeausbildung bezahlen müsse. „Das passt nicht“, sagt der Pflegebeauftragte und ergänzt: „In der Diskussion um den Fachkraftmangel kann ich diese Länder nicht ernst nehmen“. Laumann empfiehlt dem Beispiel des Landes Nordrhein-Westfalen zu folgen. Dort seien die Ausbildungszahlen nach Einführung einer Ausbildungsumlage in den letzten beiden Jahren um 45 Prozent gestiegen.

Scharfenberg: Wir werden weiterhin die Minutenpflege und getriebene Pflegekräfte haben

Für Elisabeth Scharfenberg, Pflegepolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/ Die Grünen, löst der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff die heute bestehenden Probleme nicht. „Der neue Begriff wird in die Strukturen der alten Pflegeversicherung hineingesetzt“, sagt sie: „Teilhabe wird versprochen aber nicht möglich sein. Wir werden weiterhin die Minutenpflege und getriebene Pflegekräfte haben“.

Ansatzpunkte für Verbesserungen sieht Hilde Mattheis, Gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, bei der Beratung zur Pflege. „In jedem Rathaus muss es eine verantwortliche Stelle geben, die sich um die Pflege kümmert“, betont Mattheis. Anzusiedeln sei diese gleich neben dem Tourismusbüro. Die Bedeutung einer besseren Hilfe bei Fragen zur Pflege erkennt auch Scharfenberg. „Heute hat der Pflegebedürftige kaum eine Chance herauszufinden, was es gibt und was er benötigt“, sagt sie.

Scharfenberg will darüber hinaus eine Reform der Pflegeversicherung, die weit über das hinausgeht, was derzeit geplant ist. Ansonsten „werden wir uns nach 2 Jahren schütteln wie ein nasser Hund und merken, dass sich nichts geändert hat“.

Foto: © Reimer - Pixelvario - Fotolia.com

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