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Ist eine engagierte Bürgerschaft der bessere Pflege-TÜV?

Donnerstag, 10. Juli 2014 – Autor: Michael Schulz
Der sogenannte Pflege-TÜV für Pflegeheime kommt auch fünf Jahre nach seiner Einführung nicht zur Ruhe. Während die Kassen die Mitspracherechte für seine Überarbeitung begrenzen wollen, fordert das Bayerische Pflegeministerium deutliche Korrekturen – bis hin zu dessen Abschaffung. Auch die Politik schweigt nicht.
Qualitätssicherung in der Pflege

Qualität in der Pflege – Foto: Robert Kneschke - Fotolia

Bayerns Gesundheits- und Pflegeministerin Melanie Huml fordert deutliche Korrekturen an dem vor fünf Jahren eingeführten Pflege-TÜV. "Der heutige Pflege-TÜV ist kein verlässlicher Beweis für die Qualität einer Pflegeeinrichtung. Die Änderungen zum Januar 2014 waren zwar ein wichtiger Schritt. Sie gehen aber nicht weit genug. Wir brauchen ein Bewertungssystem, das sich mehr an den wichtigen pflegerelevanten Bereichen und der Ergebnisqualität ausrichtet. Künftig muss statt der Dokumentation der Mensch stärker im Mittelpunkt stehen – und die Frage, wie es ihm geht,“ sagte Huml aktuell in Berlin.

Die Ministerin fügte hinzu: "Der beste Pflege-TÜV sind die Pflegebedürftigen selbst und ihre Angehörigen. Sie müssen sich bei der Entscheidung für eine Einrichtung einen eigenen Eindruck verschaffen. Es reicht nicht aus, sich auf Internetauftritte und Hochglanzbroschüren zu verlassen".

Engagierte Bürgerschaft ist der bessere Pflege-TÜV

Noch keine abschließende Meinung zum Pflege-TÜV hat der Pflegebevollmächtigte und Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, Karl-Josef Laumann. Auf einem Fachkongress der CDU Landtagsfraktion Brandenburg zur „Zukunft der Pflege“ machte er deutlich, dass Noten zwischen 1 und 1,5 bei der Beurteilung der Qualität einer Pflegeeinrichtung nicht weiterhelfen würden.

Laumann baut auf eine stärkere Einbindung der Pflege in die Gesellschaft. „Anstatt gleich jedes Problem und jeden Fehler zum Skandal zu machen, sollten wir dafür sorgen, dass das Thema Pflege in der Bürgerschaft ankommt. Diese müsse ein Gefühl dafür entwickeln, ob eine Pflegeeinrichtung gut arbeitet oder nicht, betont der Pflegebevollmächtigte und ergänzt: „Wenn der Pflege-TÜV keinen Sinn macht, dann muss man die Frage nach seiner Abschaffung stellen“.

Zugleich erteilte er Bestrebungen eine Abfuhr, die eine Prüfung der Ergebnisqualität in den Mittelpunkt rückt. Hier müsse man sehr vorsichtig sein, sonst „machen wir ein Monster an Bürokratie auf“, mahnte er und erhält hierbei Unterstützung vom Medizinischen Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS). Von dort wird gewarnt, dass in den Einrichtungen erhobene Ergebnisindikatoren die externen Qualitätsprüfungen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) nicht ersetzen können.

MDS: Einfluss der Pflegeanbieter ist Fehler im System

Für die begrenzte Aussagekraft der Pflegenoten macht Dr. Peter Pick, MDS-Geschäftsführer die Leistungserbringerverbände verantwortlich. Ihnen sei es in den Verhandlungen vor fünf Jahren gelungen, „die Pflegenoten weich zu spülen“.

Pick hält es für einen „Webfehler des Systems, diejenigen mitentscheiden zu lassen, über deren Qualität Transparenz hergestellt werden soll“. Aussagefähigere Pflegenoten seien nur zu erreichen, wenn der Einfluss der Pflegeanbieter auf die Noten zurückgedrängt werde.

Der MDS stößt damit in der Branche auf großes Unverständnis. „Mit solchen Aussagen werden die Tatsachen verdreht“, mahnt beispielsweise der Verband Deutscher Alten- und Behindertenhilfe e.V. (VDAB) und mutmaßt: „Damit soll das eigene Qualitätsverständnis der Prüfer verschleiert werden“.

Bei Qualitätsprüfungen würde derzeit „nur auf Strukturen und Prozesse geachtet und nicht auf das Pflegeergebnis“, kritisiert VDAB-Bundesgeschäftsführer Thomas Knieling weiter. Dies liege daran, dass das Transparenzsystem in seiner Entstehung von der Prüfungsrichtlinie des MDS abgeleitet worden sei. „Damit war vorprogrammiert, dass sich die Aussagekraft der Pflegenoten auf die Güte von Strukturen und Prozesse beschränkt."

„Die Frösche haben kein Interesse an echter Transparenz“

„Die Frösche haben kein Interesse an echter Transparenz über die Qualität ihrer Einrichtungen – im Gegenteil" zitierte die Berliner Zeitung jüngst den Vorstand des GKV-Spitzenverbandes, Gernot Kiefer, in Anspielung darauf, wonach man bei der Trockenlegung der Sümpfe nicht die Frösche fragen dürfe. Die Kassen verlangen ein alleiniges Mandat für die Überarbeitung der Pflegenoten, bei dem die übrigen Verbände nur noch ein Anhörungsrecht haben sollen.

„Die Pflege fährt mit dem System der Selbstverwaltung gut“, widerspricht dem Herbert Mauel, Geschäftsführer des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste e.V. (bpa), auf dem vdek-Zukunftsforum „Pflegereform – hat sich das Warten gelohnt?“.

Mauel verweist darauf, dass in den Fällen, in denen bei den Verhandlungen der Selbstverwaltung die Argumente nicht überzeugen, die Schiedsstelle entscheide. „Die Schiedsstelle ist ein vom Gesetzgeber gewollter Konfliktlösungsmechanismus.“

In Wahrheit gehe es bei den aktuellen Äußerungen der Kassen und des MDS, so Mauel, wohl eher um „Machtfragen“ und um die künftige Rolle der Prüfinstitutionen des MDK – und damit um die Frage, wer die Hoheit bei Qualitätsprüfungen habe. „Ziel muss es stattdessen jedoch sein, dass wir gemeinsam ein System der Qualitätsprüfungen hinbekommen, dass höchstmögliche Transparenz über die Pflege herstellt und das tatsächliche Ergebnis anstatt die Strukturen in den Mittelpunkt rückt.“

Foto: © Robert Kneschke - Fotolia.com

Hauptkategorien: Gesundheitspolitik , Pflege
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