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G-BA sieht Zusatznutzen von Cannabis-Spray

Dienstag, 6. November 2018 – Autor:
Seit sieben Jahren darf das Cannabis-Medikament Sativex bei Multiple-Sklerose bedingten Spastiken eingesetzt werden. Jetzt hat der Gemeinsame Bundesauschuss (G-BA) dem THC/CBD-Spray einen Zusatznutzen bescheinigt.
Cannabis-Spray, MS Spastiken

Der Cannabis-Spray Sativex ist für MS-bedingte Spastiken zugelassen, wenn andere Medikamente nicht ausreichend wirken – Foto: ©absolutimages - stock.adobe.com

Seit im März 2017 das Cannabis-Gesetz verabschiedet wurde, wird über Cannabis in der Medizin viel geredet. Doch zu den seither in Apotheken erhältlichen Blüten und Mixturen liegen kaum Studien vor. Viele Experten sehen die fehlende Evidenzlage kritisch. Etwa der Chefarzt der Klinik für Neurologie am Juliusspital Würzburg, der darin sogar einen „Rückschritt ins Mittelalter“ sieht.

Weniger Spastiken bei MS

Dabei gibt es auch staatlich geprüfte Cannabis-Fertigarzneimittel. Hier werden klinische Studien für die Marktzulassung vorausgesetzt. Bereits seit sieben Jahren ist der cannabinoidbasierte Spray Sativex in Deutschland  zur Add-on Behandlung der mittelschweren bis schweren Multiple-Sklerose (MS)-induzierten Spastik zugelassen. Das bedeutet, das Mittel darf zusätzlich zur Standardtherapie etwa mit Baclofen und Tizanidin verschrieben werden.

Die Frage, ob Sativex tatsächlich einen Zusatznutzen für MS-Patienten mit Spastiken hat, damit hat sich der Gemeinsame Bundesauschuss jahrelang beschäftigt. Am 1. November hat der G-BA nun seine Einschätzung vorgelegt: Danach gibt es „Hinweise auf einen geringen Zusatznutzen bei mittelschwerer bis schwerer MS-induzierter Spastik.“

Jeder zweite MS-Patient spricht auf den THC/CBD-Spray an

Die Hinweise stammen aus den klinischen Studien GWSP 0604 und SAVANT. An der Savant-Studie nahmen 190 schwer betroffene MS-Patienten teil, die entweder Sativex® oder ein Placebo zusätzlich zur antispastischen Standardtherapie erhielten. Bei allen Studienteilnehmern hatte die bisherige Standardtherapie nicht zu einem ausreichenden Erfolg geführt. In der Sativex-Gruppe führte das Add-on bei mehr als jedem zweitem Probanden zu messbaren Verbesserungen der Spastik und der damit verbundenen Schmerzen und Lebensqualität. Objektive Kriterien waren unter anderem die Länge der Gehstrecke und die Schmerzintensität. Schwerwiegende Nebenwirkungen wurden nicht beschrieben, am häufigsten wurde über Schwindel und Müdigkeit berichtet.

Nebenwirkungen wie Nebel im Kopf verschwindet nach ein paar Wochen

Neurologen zufolge bilden die Studien-Ergebnisse ziemlich gut die praktische Erfahrung mit Sativex ab. In den Sauerland-Klinik Hachen müssen die Patienten Tagebuch führen, wenn sie Sativex nehmen. Die Auswertungen von Chefarzt Dr. Markus Heibel zeigen, dass 56 Prozent der Patienten auf den THC und CBD-haltigen Spray ansprechen, die anderen 44 Prozent nicht. Die Responder profitierten aber enorm davon, berichtete Chefarzt Dr. Markus Heibel auf den Neuwochen in Berlin, und könnten die anderen antispastischen Medikamente meist drastisch reduzieren.

Zu den Nebenwirkungen sagte der Neurologe aus dem Sauerland: „Das Gefühl, benebelt im Kopf zu sein, verschwindet nach einer Gewöhnungsphase. Motivieren Sie deshalb Ihre Patienten die ersten acht Wochen durchzuhalten.“ Gleichzeitig wies er darauf hin, dass ein Anfangsversuch mit einer erheblichen Symptomverbesserung einhergehen müsse, um die Therapie längerfristig fortzusetzen.

Wichtig sei auch, die Patienten immer wieder anzuleiten, wie der Spray anzuwenden ist: So müsse nach jedem Sprühstoß 10 bis 15 Minuten gewartet werden, der nächste Hub müsse dann unbedingt an einer anderen Stelle in der Mundhöhle erfolgen. Bei maximaler Therapie mit vier Sprühstößen dauert das ganze rund eine Stunde.

Rauschzustände wie beim Kiffen verursacht das Cannabis-Medikament Experten zufolge nicht. Das enthaltene CBD hemmt vermutlich die psychotrope Wirkung von THC.

Foto: © absolutimages - Fotolia.com

Hauptkategorien: Gesundheitspolitik , Medizin
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