Eine Magenverkleinerung ist die letzte Option bei krankhaftem Übergewicht. Sie wird aber offenbar immer öfter genutzt: Dem Barmer Report Krankenhausreport 2016 zufolge hat sich die Zahl der so genannten bariatrischen Operationen zwischen 2006 und 2014 verfünffacht. Zuletzt haben die gesetzlichen Kassen 9.225 Eingriffe im Jahrbezahlt. Würden bundesweit alle Adipösen mit einem Body-Mass-Index von 40 und mehr operiert, kämen auf die gesetzliche Krankenversicherung kurzfristig rund 14,4 Milliarden Euro an Extraausgaben zu, rechnen die Autoren um Boris Augurzky vor. Der Experte vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) warnte vor massiven Mehrkosten im Bereich der Adipositas-Chirurgie, die am Ende letztlich die Beitragszahler schultern müssten. „Dies ist umso bedenklicher, weil eine bariatrische Operation für Kliniken lukrativ ist und daher die Tendenz zu immer mehr Eingriffen besteht“, warnte Augurzky bei der Vorstellung des Reports am Mittwoch in Berlin.
9.000 bariatrische Operationen in 2014 im gesamten Bundesgebiet
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft verbat sich unterdessen, die Adipositas-Operationen als überflüssig zu diskreditieren. Dafür habe die Barmer keinerlei Belege. „Der Barmer Gek-Report macht einmal mehr deutlich, dass die Krankenkassen immer wieder versuchen, den steigenden medizinischen Behandlungsbedarf der Bevölkerung in die Nähe von nicht notwendigen Leistungen der Kliniken zu rücken", erklärte der DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum. Das sei unredlich.
Baum verwies darauf, dass ja auch die Zahl der Adipositaskranken im Zeitraum 2003 bis 2013 um 22 Prozent angestiegen sei. Außerdem sei die Fallzahl insgesamt sehr gering. „Statt die Krankenhäuser pauschal zu diffamieren, sollte die Barmer lieber darüber nachdenken, ob nicht eine neue Sicht auf das Krankheitsbild Übergewicht und die Behandlungsmöglichkeiten erforderlich ist“, sagte er.
Zweitmeinung vor Adipositas-OP
Eine Adipositas-Operation ist immer die letzte Möglichkeit in der Behandlungskette. Erst wenn ernsthaft unternommene nicht-operative Versuche wie Diäten oder Bewegung wiederholt gescheitert sind, sollte eine Operation in Betracht gezogen werden. Dass es hie und da Abweichungen von dieser goldenen Regel gibt, ist nicht ganz abwegig. Experten raten deshalb Patienten, sich vor einer bariatrischen Operation eine Zweitmeinung einzuholen, denn bei dem Eingriff kann es auch zu Komplikationen kommen. Jeder gesetzlich Versicherte hat auf die Zweitmeinung einen Anspruch.
Der Barmer Report weist unterdessen daraufhin, dass eine Operation nach reiflicher Überlegung nur in einem Zentrum vorgenommen werden sollte, das von der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV) zertifiziert ist. In den 44 zertifizierten Häusern gelten bestimmte Qualitätsstandards. Deutschlandweit bieten jedoch mehr als 350 Krankenhäuser den Eingriff an. „In einer zertifizierten Klinik sind die Komplikationen bei einem bariatrischen Eingriff geringer als in einem herkömmlichen Krankenhaus, auch das Sterberisiko ist um 15 Prozent reduziert“, erklärte Augurzky.
Zentren arbeiten kostengünstiger
Unterm Strich arbeiten die Zentren auch kosteneffektiver. Dem Report nach sind dort die Operation und die Folgebehandlungen nach fünf Jahren im Schnitt um mehr als 3.800 Euro günstiger als in nicht zertifizierten Einrichtungen, und zwar um rund 6.000 Euro beim Magenbypass und rund 1.700 Euro bei einem Schlauchmagen. Allerdings habe im Jahr 2014 nur die Hälfte der betroffenen Barmer Versicherten ihre Schlauchmagen-OP in einem zertifizierten Zentrum vornehmen lassen, berichtete Augurzky. „Bei einem Magenbypass waren es immerhin mehr als zwei Drittel.“