Führt das eHealth-Gesetz zu Marktverzerrungen?
Mit dem sogenannten eHealth-Gesetz will die Bundesregierung die Nutzung der elektronischen Gesundheitskarte in der Versorgung beschleunigen. Das Gesetz sieht daher einen verbindlichen Zeitplan für die Umsetzung einzelner Entwicklungsschritte vor. Kommt es zu Verzögerungen, droht der Gesetzgeber mit Sanktionen in Form von Haushaltskürzungen bei den Gesellschaftern der gematik, die die Umsetzung verantwortet.
Die Vertreter von Ärzten, Zahnärzten, Apothekern und Krankenhäusern in der Gesellschafterversammlung der gematik sehen zwar etliche positive Ansätze bei dem Gesetz, die einen Mehrwert für die Patienten und ihre Behandlung bringen könnten. Das Gesetz eröffne neue Möglichkeiten und fördere die sichere elektronische Kommunikation im Gesundheitswesen. Auch wenn in Detailfragen Defizite bestünden, kämen sinnvolle Anwendungen wie zum Beispiel der Medikationsplan und der Notfalldatensatz auf den Weg.
Zeitplan des eHealth-Gesetzes haltbar?
Mit dem von der Bundesregierung angestrebten Tempo sind die Ärzte, Zahnärzte, Apotheker und Krankenhäuser in der gematik jedoch nicht einverstanden, ebenso wenig wie mit den geplanten Sanktionen bei Verzögerungen. Sie kritisieren unter anderem, dass der Start des sogenannten Online-Rollouts, bei dem die Leistungserbringer zur Nutzung der elektronischen Gesundheitskarte (eCard) online vernetzt werden, am 1. Juli 2016 zu früh gesetzt ist. Bis dahin sei die Erprobung der Industrielösungen nicht ausgewertet.
„Der Zeitplan lässt keine Auswertung der Erprobungsergebnisse zu. Dabei muss die Erprobung erst einmal zeigen, ob geeignete Lösungen für Praxen und Krankenhäuser entwickelt wurden, bevor ausgerollt werden kann. Bisher gibt es daran noch berechtigte Zweifel“ so Dr. Thomas Kriedel, Vorsitzender der Gesellschafter der gematik. Er warnte auch davor, dass finanzielle Einbußen der Trägerorganisationen in Folge der geplanten Sanktionen zu einer Unkalkulierbarkeit der Haushalte der betroffenen Körperschaften führen würden.
Komplexität der eCard unterschätzt?
Zudem warnen die Gesellschafter vor Marktverzerrungen aufgrund des engen Zeitplans. Durch die Ausschreibung der Erprobung könnten zwei Industriekonzerne Produkte aus Versichertengeldern entwickeln, während andere Anbieter aufgrund des engen Zeitplans kaum eine Chance mehr hätten, in den Markt einzusteigen und gleichwertige oder gar bessere Produkte anzubieten. Die Gesellschafter befürchten, dass es dadurch dazu kommen könnte, dass unreife oder gar schlechte Produkte zu völlig überhöhten Preisen ins Feld gebracht würden und bei den beteiligten Ärzten, Zahnärzten, Apothekern und Krankenhäusern die Akzeptanz geschmälert werde.
Die Chefin des Spitzenverbands der Gesetzlichen Krankenversicherung räumte mit Blick auf die von der Regierung kritisierten Verzögerungen bei der Umsetzung in einem Interview mit dem SWR ein, dass die GKV „genauso wie die Industrie, die diese Vernetzung vornimmt, sicher an manchen Stellen die Komplexität unterschätzt“ habe. Sie stellte die Datensicherheit an die oberste Stelle.
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