Endovaskuläre Therapie mit Stent-Retriever bei Schlaganfall sinnvoll
Bei einem Schlaganfall ist die endovaskuläre Therapie mittels Stent-Retriever nach wie vor umstritten. Als Mittel der ersten Wahl gilt daher immer noch die intravenöse Lyse. Mehrere aktuelle Studien haben sich nun mit dem Nutzen der neueren Therapie beschäftigt. Das Ergebnis: Rund 10 000 Menschen mit einem schweren Schlaganfall könnten jährlich in Deutschland vor dauerhaften Behinderungen und Tod bewahrt werden, wenn Neuroradiologen das Blutgerinnsel, das eine Hirnarterie blockiert, frühzeitig mit einem Spezialkatheter entfernen würden.
Gleich drei neue Studien, die kürzlich auf der International Stroke Conference in Nashville, USA, vorgestellt wurden, haben den Nutzen der noch relativ neuen Methode bei der Akuttherapie des Schlaganfalls belegt. Die Studien sind eine wichtige Bestätigung für die Neurozentren in Deutschland, die diese als noch experimentell eingestufte Therapie bereits durchführen.
Einsatz von Stent-Retrievern kann Behinderungen mindern
Seit etwa acht Jahren gibt es Katheter, mit denen Neuroradiologen versuchen, besonders große Blutgerinnsel mechanisch zu entfernen. Bei solchen Gerinnseln reicht die Standardtherapie, die systemische Thrombolyse, meistens nicht aus. Auch wenn Mediziner von großen Erfolgen durch die endovaskuläre Therapie berichten, gab es bisher noch keine randomisierten Studien, die das auch belegten. Nun wurde die endovaskuläre Therapie mit Stent-Retrievern in den aktuellen Studien überprüft.
In allen drei Studien (EXTEND-IA, ESCAPE und SWIFT-PRIME) erhielten die Patienten die Standardtherapie, eine Thrombolyse. Bei der Hälfte der Patienten kam zusätzlich der Stent-Retriever zum Einsatz. Alle Studien wiesen auf große Erfolge durch die neue Therapie hin. Die Chance der Patienten auf ein günstiges Behandlungsergebnis wurde um 20 bis 30 Prozent gesteigert, die Wahrscheinlichkeit für dauerhafte Behinderungen konnte reduziert werden. Allerdings ist dieser Erfolg nur unter bestimmten Bedingungen zu erreichen. So ist die endovaskuläre Therapie nur in einem Zeitfenster von sechs Stunden nach Beginn der Schlaganfallsymptome sinnvoll, sehr selten auch noch danach.
Schlaganfall: Lysetherapie bleibt Standard
Stent-Retriever sind spezielle Mikrokatheter, die an ihrer Spitze ein entfaltbares Gittergeflecht enthalten, über das der Thrombus eingefangen und anschließend entfernt werden kann. Professor Christoph Groden, Direktor der Abteilung für Neuroradiologie der Universitätsmedizin Mannheim und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Neuroradiologie (DGNR), weist darauf hin, dass die Lysetherapie weiterhin der Standard für alle Schlaganfallpatienten sei. Für die Thrombolyse gilt ein Zeitfenster von 4,5 Stunden. Bestätigt dann die Computer- oder Kernspin-Angiographie ein großes Blutgerinnsel, so sollte künftig die Behandlung mit einem Stent-Retriever angeschlossen werden. Nach Schätzungen von Experten kommt die endovaskuläre Therapie mittels Stent für etwa zehn Prozent der Patienten in Frage.
Nach Meinung der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG), der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) und der Deutschen Gesellschaft für Neuroradiologie (DGNR) ist es nun erforderlich, die bestehenden Versorgungsstrukturen der akuten Schlaganfallbehandlung hierzulande zu optimieren. Nur so kann sichergestellt werden, dass die endovaskuläre Therapie mit einem Stent-Retriever bestimmten Patienten mit schweren akuten Schlaganfällen zugute kommt. Da nur Patienten mit einem großen Blutgerinnsel in den Hirnarterien in Frage kommen, wird die aufwändige Therapie nur in spezialisierten Neurozentren mit Stroke Unit, Neuroradiologie und neurologischer Intensivstation erfolgen können.
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