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Die Zufriedenheit des Patienten ist wichtiger als die Suche nach dem besten Produkt

Donnerstag, 11. September 2014 – Autor: Cornelia Wanke
Kann weniger letztlich nicht mehr sein? Dieser Frage stellten sich Experten auf einem Symposium der European Respiratory Society (ERS), dem weltweit größten Kongress im Bereich der Atemwegserkrankungen, der gestern in München zu Ende ging.

Inhalieren - aber richtig! Bessere Schulungen könnten die Compliance verbessern. – Foto: WavebreakmediaMicro - Fotolia

Die vom internationalen Pharmaunternehmen Cipla organisierte Abendveranstaltung „Debates on device & drug dilemmas – can less actually be more?“ bot dabei einen spannenden Ansatz: Jeweils zwei international anerkannte Experten tauschten in einem Streitgespräch Pro und Contra aus – unter intensiver Beteiligung der im Publikums anwesenden Atemwegsspezialisten. „Kann ein einziger Inhalator den Bedürfnissen aller Patienten entsprechen?“ Darüber stritten John Haughney von der Universität Aberdeen und Nicolas Roche, Professor für Atemwegserkrankungen an der Universität Paris Descartes. „Eigentlich ist es egal, ob man sich hier dagegen oder dafür ausspricht, die Argumente sind eigentlich für beide Seiten gleich gut“, sagte Haughney – oder auch gleich schlecht? „Worum wir Ärzte uns doch eigentlich kümmern müssen, ist, dass der Patient seine Erkrankung unter Kontrolle hat.“ Das sei aber sogar bei gut eingestellten Patienten mit Atemwegserkrankungen gerade mal zu 29 Prozent der Fall. „Egal also, welche Darreichungsform wir wählen, die Compliance und das Outcome werden nicht besser.“ Ob der Patient besser oder schlechter eingestellt ist, hänge alleine davon ab, ob er versteht, wie er mit dem jeweiligen Device umgehen soll. Haughney: „Wenn wir immer nur danach fragen, welcher der beste Inhaler ist, vergessen wir den Rest!“ Statt darauf zu warten, dass der perfekte Inhalator irgendwann auf den Markt kommt, sollten die Ärzte lieber mehr auf die Compliance ihrer Patienten achten, forderte der Brite. 

Macht es einen Unterschied, welchen Inhaler die Patienten benutzen?

Roche hielt dagegen, dass es sehr wohl einen Unterschied mache, welchen Inhaler die Patienten benutzen. „Da die Menschen unterschiedliche Bedürfnisse haben, brauchen sie auch verschiedene Geräte.“ Man müsse auf die Präferenzen und Wünsche der Patienten achten, nur dann könnte man für eine gute Compliance sorgen, so der Franzose: „Die Zufriedenheit der Patienten mit dem Gerät ist ein starkes Argument.“ Die Frage eines Arztes aus dem Publikum, welches der 250 Geräte zur Therapie er dann verschreiben solle, beantworteten beide Experten folgendermaßen: „Verordnen sie etwas, das Sie kennen und von dem Sie selbst auch überzeugt sind – und nehmen Sie sich die Zeit, die Auswahl gemeinsam mit dem Patienten zu treffen!“ 

Die zweite Diskussionsrunde drehte sich um die Frage: „Wenn Sie sich für ein einziges Medikament entscheiden müssten, das Ihr Patient bekommen soll, um sein Asthma zu kontrollieren, welches sollte es sein?“ Hier wurde weniger gestritten denn auf unterschiedliche Bedürfnisse hingewiesen: Während sich Professor William Busse von der Universität Wisconsin für eine Kombination aus inhalierbarem Kortikosteroid mit einem langwirksamen Beta-2-Agonisten (ICS/LABA) aussprach, „weil diese Kombination sowohl als Notmedikament als auch als auch in der Langzeittherapie erfolgreich ist“, ist für Professor Stanley Szefler von der Universität Colorado bei der Therapie von Asthma bei Kindern immer ein Kortikosteroid die erste Wahl. „Denn hier haben wir verlässliche Studien – und fast alle ICS sind auch für Kinder ab 5 Jahren zugelassen.“ 

Frühes Erkennen beugt der Chronifizierung entgegen. Aber ist früh nicht manchmal zu spät?

Die dritte und abschließende Runde widmete sich der Frage, ob Atemwegserkrankungen wie COPD früh und aggressiv behandelt werden sollten, und ob damit einer Chronifizierung vorgebeugt werden kann. „Für mich gibt’s darauf nur ein dreifaches ‚Ja‘ als Antwort“, sagte Professor Emiel Wouters von der Universität Maastricht. Wouters zitierte einige Studien, wonach erwiesen sei, dass sich mit einer frühen Intervention der Zustand signifikant verbessern ließe. Man müsse aber davon abkommen, nur auf äußere Faktoren wie das Rauchen einzuwirken und auch schon ganz früh danach schauen, ob die Lungenfunktion eines Patienten optimal sei. 

Robert Stockley, Professor am Queen Elizabeth Hospital Birmingham konterte, dass ja noch nicht einmal geklärt sei, was eine „frühe COPD“ bedeute und dass ein frühes Diagnostizieren der Erkrankung ja die Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie sei. Das Problem sei jedoch dabei, dass es Patienten mit starken Symptomen und einer leichten Erkrankung gebe – und auf der anderen Seite Patienten, die sich kaum beeinträchtigt fühlten, jedoch eigentlich stärker erkrankt seien als angenommen. „Vielleicht müssen wir die Krankheit neu definieren“, so Stockley. 

„Es war eine inspirierende und lehrreiche Veranstaltung für uns alle“, bedankte sich am Ende Sundeep Salvi, Moderator des Symposiums und Direktor der Chest Research Stiftung aus Pune, Indien. Solche Debatten, bei denen starke Argumente statt Befindlichkeiten ausgetauscht werden, wären auch außerhalb von Kongressen wie der ERS wünschenswert. 

Foto: Fotolia.com 

Hauptkategorien: Prävention und Reha , Medizin

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