Der Angiogenese-Spezialist Holger Gerhardt forscht jetzt in Berlin
Manchmal braucht es mehr als eine Forschungseinrichtung, um einen Wunschkandidaten nach Berlin zu holen. Im Fall von Prof. Dr. Holger Gerhardt waren sogar vier an der Akquise beteilgt. Neben dem Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) und der Charité machten sich auch das Berlin Institute of Health (BIH) und das Deutsche Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) für den Kandidaten stark. Offenbar mit Erfolg. Laut einer gemeinsamen Pressemeldung von MDC und Charité ist der Angiogenese-Spezialist ab sofort in Berlin in mehreren Funktionen tätig: Am MDC in Berlin-Buch und am BIH soll er je eine Forschungsgruppe leiten und an der Charité hat er die W3-Professur für Experimentelle Herz-Kreislaufforschung besetzt. Außerdem ist Gerhardt in das Deutsche Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) eingebunden – einem bundesweiten Forschungsverbund.
Gerhardt hatte das Aussprossen von Blutgefäßen entdeckt
In Berlin will der 45-jährige nach eigenen Angaben das fortsetzen, was er zuletzt an renommierten Forschungseinrichtungen in England und Belgien tat: Die Bildung von Blutgefäßen (Angiogenese) in der Entwicklung von Organismen sowie bei Krankheiten erforschen und nach Wegen suchen, krankhaftes Gefäßwachstum zu stoppen. In der Pressemitteilung vom Montag erklärte Gerhardt, er wolle insbesondere mit klinischen Forschungsgruppen zusammenarbeiten, um aufbauend auf neuen Forschungserkenntnissen neuartige Therapiekonzepte entwickeln zu können.
Holger Gerhardt hatte vor mehr als zehn Jahren grundlegende Prinzipien der so genannten Blutgefäßsprossung entdeckt und dafür im Jahr 2011 den „Judah Folkman Award“ der North American Vascular Biology Organization (NAVBO) erhalten. Diese Erkenntnisse sind insbesondere für die Krebsforschung wichtig, da auch Tumoren in der Lage sind, neue Blutgefäße zu bilden. „Ohne Blutversorgung würde der Tumor nicht größer als ein Salzkorn“, erläutert Prof. Gerhardt die Bedeutung der Aussprossens von Blutgefäßen für die Tumorentstehung. Gerhardt konnte zeigen, wie es Blutgefäßen gelingt, zu den Zellen hinzuwachsen, die den vaskulären Endothelwachstumsfaktor VEGF ausschütten. „In unserer Forschung haben wir festgestellt, dass die einzelnen Zellen, die neue Gefäßsprossen ausbilden, ständig in Bewegung sind und die Plätze tauschen. Es besteht sogar ein direkter Wettbewerb zwischen den Zellen, erklärt Gerhardt und vergleicht dieses „Ellenbogenprinzip“ mit Radrennfahrern, die versuchten die Führungsposition zu übernehmen. Auf diese Weise bauten die Zellen gemeinsam Stück für Stück das neue Blutgefäß auf, das sich dann auch mit anderen Blutgefäßen zu einem ganzen „Leitungsnetz“ verbinde.
Zehn Jahre Auslandserfahrung
Holger Gerhardt stammt ursprünglich aus Mannheim. In Darmstadt und Tübingen hat er Biologie studiert, im Jahr 2000 schließlich in Tübingen über die Blut-Hirn-Schranke promoviert. Danach ging er für vier Jahre als Postdoktorand an das Institute of Medical Biochemistry der Universität Göteborg, Schweden. 2004 erhielt er eine Nachwuchsgruppe am London Research Institute und wurde dort 2009 Forschungsgruppenleiter. Parallel wurde er Leiter einer Forschungsgruppe am Vesalius Research Center an der Katholischen Universität Leuven, Belgien. Seine Jobs in London und Belgien hat er nun aufgegeben, um sich seinen neuen Aufgaben in Berlin zu stellen.