Patrizia Paterlini-Bréchot forscht als Zellbiologin an der Medizinischen Fakultät Necker-Enfants malades (Universität Paris-Descartes). Durch Tierversuche ist bekannt, dass Tumorzellen schon lange im Blut zirkulieren bevor Metastasen auftreten. Oft sterben Krebs-Patienten an den Metastasen und nicht am Primärtumor.
Die Wissenschaftlerin entwickelte den so genannten ISET-Test. Dafür sind zehn Mililiter Blut nötig. Die Blutprobe wird gefiltert und durch eine Membran geleitet. Diese funktioniert wie ein Sieb und ist durchlässig für alle Partikel, die kleiner als 0,008 Millimeter sind. Die weißen und roten Blutkörperchen passieren die Membran, die größeren Tumorzellen werden aufgehalten und können dann isoliert und im Labor untersucht werden.
Einfacher Bluttest machte Krebsfrüherkennung möglich
Die Wirksamkeit des Tests wurde den Berichten zufolge im Universitätsklinikum Nizza erprobte. Dort wurde eine Gruppe von Risiko-Patienten – allesamt starke Raucher, die bereits an einer Lungenkrankheit litten - sechs Jahre lang beobachtet. Durch den Test erfassten die Forscher Tumorzellen im Blut von fünf Patienten, bevor ein Lungenkrebs durch radiologische Verfahren wie CT oder MRT zu erkennen war. Diese Patienten wurden operiert und vom Krebs befreit.
Wenn Tumorzellen aufgefangen werden, ist im Normalfall nicht klar, wo der Krebs zu lokalisieren ist. Dann würde je nach gesundheitlicher Vorgeschichte bei Frauen etwa zunächst nach einem Brustkrebs und bei Männern nach einem Prostata-Krebs gesucht, so die Wissenschaftlerin. Werden die Mediziner nicht fündig, werde weiter gefahndet. Der Test soll auf lange Sicht so weiterentwickelt werden, dass bestimmte Proteine in den Tumorzellen darüber Auskunft geben, aus welchem Organ sie stammen.
Bluttest soll Krebs-Rezidive anzeigen
Derzeit könne der Test vor allem bei Patienten eingesetzt werden, die von einem Krebs geheilt wurden, um zu überprüfen, ob es womöglich ein Rezidiv gab und sich ein neuer Tumor gebildet hat. Der ISET-Test kostet 486 Euro und wird von der staatlichen Krankenversicherung in Frankreich nicht erstattet.
Auch in Deutschland arbeiten Biotech-Firmen wie Sysmex oder GATC schon länger an Krebs-Analyse-Verfahren mittels Blutprobe („Flüssige Biopsie“). Sie werden bislang vor allem in der Forschung eingesetzt, sagt Dr. Helge Schnerr vom Hersteller GATC. Ein von der Firma entwickelter Test isoliert im Blut Tumor-DNA und werde derzeit verwendet, um eine Krebs-Diagnose zu bestätigen, einen Tumor genauer zu analysieren und beispielsweise das Ansprechen auf Medikamente zu überprüfen.
Die Tumor-DNA zirkuliere weitaus früher im Blut als die Tumorzellen, die erst bei einem Krebs im fortgeschrittenen Stadium abgegeben würden. Eine pauschale Krebsfrüherkennung über Tumorzellen bei Patienten ohne jegliche Diagnose oder Anfangs-Verdacht hält Schnerr daher für eher unrealistisch beziehungsweise noch zu wenig erprobt.
Krebsforschungszentrum wartet auf mehr Studiendaten
Auch beim Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) heißt es: Für die pauschale Früherkennung von Krebs mittels Blutprobe lägen in der Regel noch zu wenige Daten aus Studien vor, um möglichen Nutzen und Schaden im Rahmen eines Krebs-Screenings gesichert beurteilen zu können. Es bleibe abzuwarten, ob die bereits kommerziell vermarkteten Tests genau genug sind, um sich im Rahmen der Früherkennung zu bewähren.
Solch ein Test wäre für die Patienten auch mit möglichen Belastungen und Risiken verbunden: So könnte ein Krebs entdeckt werden, der unentdeckt gar nicht hätte behandelt werden müssen. Oder es werden Tumorzellen entdeckt, ohne dass sich der Tumor dann lokalisiert lässt.
Foto: Shawn Hempel