Ärztekammerpräsident Günther Jonitz macht Gesundheits-Startups Mut
Hoch oben über den Dächern Berlins in den Räumen der Unternehmensberatung EY wurden die Herausforderungen nicht kleiner. Bei der Gesprächsrunde mit dem Berliner Ärztekammerpräsidenten Dr. Günter Jonitz machten die Jungunternehmer deutlich, wie schwierig es ist, in Deutschland als Gesundheits-Startup festen Boden unter den Füßen zu bekommen. Unsere Pläne, mit gesetzlichen Krankenkassen Verträge zu schließen, sind zwar nicht auf Eis gelegt, aber wir konzentrieren uns jetzt mehr auf den amerikanischen Markt, sagte zum Beispiel Simon Bolz, einer der Köpfe von goderma, die sich jetzt in KLARA umbenannt haben. Das junge Unternehmen ermöglicht es, Auffälligkeiten der Haut über eine App begutachten zu lassen. Die per Handy gemachten Fotos werden über die App hochgeladen und an KLARA gesendet. Die wiederum lassen die Hautbilder von Hautärzten begutachten. In vielen Fällen sparen sich die Nutzer dadurch den Gang zum Hautarzt, sagt Bolz. Freilich nur dann, wenn es sich um absolut unproblematische Fälle handele. Eine Diagnose dürfen die Ärzte bei der Erstbegutachtung sowieso nicht stellen: Da greift das Fernbehandlungsverbot. „Meinen Sie, dass das jemals kippen wird?“, fragte Bolz den Ärztekammerpräsidenten. Der äußerte sich sehr zurückhaltend: Selbst wenn er da Handlungsbedarf sehen würde, könne das schwierig werden, meinte Jonitz. Und auch auf gezieltere Nachfragen des Moderators Dr. Markus Müschenich blieb es dabei: Da müssten sie schon ganz dicke Bretter bohren.
Jonitz rät den Jungunternehmern, sich stets am Nutzen für Patienten auszurichten
Jonitz sieht dennoch eine Chance für die jungen Unternehmen, die sich meist mit digitalen Lösungen im Gesundheitswesen beschäftigen: vieles ist in Verbindung mit dem Thema Telemedizin ja auch schon passiert, so der Chirurg. Und überall dort, wo der Nutzen des Patienten ganz offensichtlich sei, habe man gute Chancen, auch Gehör zu finden. Die anwesenden Jungunternehmer haben da schon ihre ganz eigenen Erfahrungen gemacht.
In Deutschland wirkten sich u.a. zu strenge regulatorische Rechtsvorgaben negativ auf die innovative und zukunftsweisende Entwicklung der Digital-Health-Unternehmen aus. Startups müssten sich hier wie in keinem anderen Markt mit zahlreichen Anforderungen und gesetzlichen Regelungen auseinander setzen. Dafür brauchten sie Stakeholder wie Krankenkassen und Versicherungen an ihrer Seite, die eine Kostenaufteilung ermöglichen.
Deutschland hat im Bereich digitale Gesundheit großen Nachholbedarf
Eins wurde in der Diskussion deutlich: Deutschland hat im Bereich Telemedizin auf der gesetzlichen Ebene großen Nachholdbedarf und sollte nachjustieren, wenn es diese Unternehmen nicht verlieren will. Auf Unternehmerseite gibt es innovative Konzepte und engagierte Persönlichkeiten, die das Potenzial haben, den Markt nachhaltig mitzugestalten. Dafür müssen neue Geschäftsmodelle als Ergänzung und nicht als Konkurrenz zu den bisherigen Instrumenten verstanden werden. Qualitätssiegel für Produktanwendungen und klare Kommunikation über Risiken einer Fernbehandlung könnten hier für mehr Bewusstsein und Transparenz beim Nutzer sorgen.
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